#da:dortort

Von Renate Aichinger. „Hier und Heute – Positionen österreichischer Gegenwartsliteratur“ – Teil 109

Online seit: 17. März 2023
Renate Aichinger © privat
Renate Aichinger.

#
da.
zwischen.
stühlen. sitzt.
da.
zwischen. deinen kisten. die sich stapeln wie teller neben der abwasch. weil dir die zeit. weil du dich vergaloppierst. seit dich diesedeine umwelt so auf trab.

da.
gläser.
dort.
krimskrams.
der sich nicht stapeln. der chaos in dein schleuderleben.
magst lieber bücher. die lassen sich gut einpacken und stapeln. kante auf kante. leben neben leben. du lebenssammlerin.

#
draußen grau. in unterschiedlichsten schattierungen. die sonne über der nebeldecke. bestimmt. es ist dieses grau das dich einlädt zwischen deinen kisten. das dir zuruft bleib drinnen ruft es ganz leise mach es dir gemütlich. in deiner zwischenunwohnung wo du geschützt vor diesem zwischenunleben.
mach es dir gemütkuschelig. obwohl es zieht. überall zieht es rein. da. obwohl du die fenster. dicht. aber der spalt ist immer noch da. wurde breiter mit den jahren. ein graben der sich. dazwischen.

#
früher hast du gedacht. man könne sich nur einmal im jahr verlieben. dass das jetzt eben wieder dauert bis zum sommer. du puppe. dass man da jetzt durchtauchen durch den schnee und die winterdunkelheit. in seinemihrem wohnmobil. aber dass es dann auch wieder frühling. und knospen und du die nase raus. und dann in der sommerkleidchenschönzeit da triffst du ihn dann den einen. für diesen sommer.
dort.
wo dann neues leben an. bricht.
und ihr gemeinsam schaukelt.

#
aber wo bist du.
da. oder dort.
sollst da und dort. sollst alles unter eine kapuze. die du nicht auf. weil du schon genug um die ohren.
du im moment. an diesem dadortort.

#
da.
zwischen stühlen. zwischen wohnungen.

in der bim neben dir graue gesichter blick gesenkt damit ihr stress versteckt. weil sie nicht gesehen werden wollen. oder weil sie steine stapeln in ihrem handy statt am meer. damit sie ein erfolgserlebnis wenn es so schön blinkt. wollen nicht dass man sie andurchschaut. mit druck in den augen. morgens.
weil das kind zu spät. weil sie zu spät. weil sie schon dort und erst da.
die kinder betreut. damit die mamis nicht bereuen. dass sie wieder arbeiten. teil. zeit. homeoffice plus herdoffice. weil sie sich teilen sollen. in beiden welten funktionieren. zwei leben die sich so gar nicht verbinden.
hältst almas hand und versuchst ihn festzuhalten. diesen augenschönblick.
aber da ist der herr. an der bimstation. wie jeden alltagsmorgen. der herr der schon irgendwie durch. kommt. wenn er seine vielen schlafsäcke zusammenrollt. nach einer kalten nacht. aber hilfe. nein. hilfe brauche er keine. sagt er. er habe ein einkommen. weiter fragst du nicht.
eigentlich wolltest du ihm geld. oder kekse. aber er nimmt nichts. so wie er aussieht auch keine drogen. dein blick streift über die decken und schlafsäcke. schön zusammengelegt. neu. denkst du. du hättest eh genug mit der kleinen. er komme schon allein. zurecht.
wie alma. alma die auch schon so viel allein alma die auch alles selber. schaukeln zum beispiel. oder jacke anziehen. alma die schon so viel selber und gleichzeitig deine hand.
gehst mit alma noch schnell in den kindergarten hand in hand bevor auch du in diese andere welt.

#
findest keinen platz. alles besetzt. voller leerer augen. auch die kleinen die auch schon starren. müde. oder quengeln. weil sie ihnen zu wenig aufmerksamkeit schenken während sie den kinderwagen durch die stehende meute. auf der lenkstange der bambusbecher to-run. der ihnen das gefühl dass es weiter. hauptsache es tut sich. was.
stellst dich in die türe die nicht zu. mit deiner topfpflanze im blauen riesenplastiksack.

#
erinnerst dich an deine oma die immer gesagt. dass du eine haube. gerade in der übergangszeit. weil man sich in der sogenannten übergangszeit weil man frau hat sie nicht gesagt weil man sich da leicht verkühlt. wenn man leichtsinnig. und leicht angezogen. wenigstens die kapuze. dass der märz eben noch ein r. aber dass auch bald mai und dann ist alles andersneu. dann gibts erdbeeren. und die haube. die kannst du dann auch zuhause. welches zuhause.
noch so fern. dieses dort. fühlst es noch so nicht. so gar nicht. hast noch kein gefühl wenn du an dort. obwohl wenn du ganz genau reinhorchst in deinen seelenpanzerwohnkokon kannst du es schon spüren dieses neue nahda. hier an diesem dazwischenort. ob dieser dortort mal ein nahda irgendwanndann.

#
erst mal weg.
weil du zu wenig geld. weil du genug. von diesen schimmelsporen. aber die sind weder weiß noch edel. außer rote augen machen die nur hustenaua.

– morgenbesser.
sagt alma dann immer. wenn was nicht so gut. wenn du ein aua.

klar das problem verstehe man natürlich und natürlich werde man sich darum kümmern klar aber dass man halt auch heizen. da müsse man dann eben in den sauren apfel.
und natürlich lüften. dass man schon öfter. alle zwei stunden. wär gut.
wie man das mit job. und kind. das könne er jetzt auch nicht sagen. aber jedenfalls habe er jetzt ja das gröbste beseitigt. keine gefahr. in verzug. der liebe rest. einteilungssache. und wenn sie jetzt hier bitte unterschreiben.
dass es ohnehin reinzieht weil die fenster so undicht und du den garten mitheizt. also das sei nicht das problem weil er habe alles richtig gemacht er habe sich das auch bestätigen lassen. von einem experten. und der wird es ja wohl wissen. sonst wäre er ja kein experte.
du schaust auf dein notizbuch. die notizen verschwommen. da hat sich jetzt ein blaues punktenetz drübergelegt.
da könne er leider nichts machen das gehöre nicht zum gebäude. dafür sei er nicht zuständig er wünsche aber einen schönen tag noch. klar.
du magst keine sauren äpfel. wie alma. ihr seid team gala.

#
sitzt inmitten deiner bücher. dieser vielen leben. die ungelesen vor sich hinmodern.
da.
zwischen tagebüchern die auskunft über omas leben.
die du nicht lesen willst. weil du deine nase nicht in ihre verstaubte vergangenheit. weil wer gibt dir das recht da. zu. hättest du sie mal früher gefragt. bei einem deiner vielen telefonate. die dir immer zu lang. die oma immer zu kurz.

#
ein paar erinnerungen gelöscht. ein paar lösen sich. auf. ein paar für mülltonne. ein paar fürs altpapier. so viel zeit muss sein.
obwohl die zeit davonläuft wie der letzte schnee. weißt dass eines morgendanns der umzugswagen dass der dann vor deiner tür und du noch nicht fertig. mit dem garten. weil du den noch umgraben. auf der suche nach den zwiebeln.
weil die erdbeeren. die musst du unbedingt.
ziehst um. in eine kleinere wohnung. weil die fixkosten. die schon lang nicht mehr fix. weil die in schwindelnde höhen und du höhenangst.

wie das alles wird. wenn.
fragst du dich während du eigentlich mit alma. während du mit ihr. im schönmoment. aber du kannst nicht. im moment. weil du schon wieder an dem anderen dortort.

#
diese dazwischennichtzeit die kennst du nicht erst seit jetzt eben. die begleitet dich schon immer. auch wenn du grad nicht umziehst. kennst sie. diese zeit in der du dich zurück. um dann wieder durchzustarten.
dein handy gemutet. in der hoffnung dass dich niemand anruft. weil dich der mut. weil der dich verlassen. im herbst. mit den letzten warmen sonnenstrahlen.
– morgen besser.

#
der umzug in ein anderes leben hatte eigentlich schon viel früher begonnen. klar da war der umzug nach wien. zum studieren. mit einer kleinen sporttasche haben dich deine eltern. abgegeben. im studentenheim. damals. ohne innen. von she/they noch keine spur. damals im studentenheim. als die tür zuging und die stimmen aus der küche. vielleicht dein allereinsamster moment ever. damals konntest du dir nicht vorstellen an jenem da dass du da jemals raus. draußen wurde gefeiert. die waren so fröhlich dass du am liebsten geheult. du konntest von deinem fenster direkt in die küche schauen. hattest sie im blick. dieses pralle leben. das du gar nicht sehen. hast das licht ab. damit die zumindest dich nicht sehen.
lang bist du dort in diesem fremden bett gelegen. das irgendwann deines. draußen wurde mindestens ebenso lang gelacht. du hast dir die alte decke über den kopf gezogen. und dich im angestrahlten zimmer umgeschaut. auspacken kannst du ja auch morgen. und einkaufen musst du. und dann bist irgendwann raus aus deiner komfortbubble und hast hallo gesagt zu diesem neuen leben.

#
hörst den frühlingsvogel der nur zwitschert wenn der frühling verlässlich jedes jahr trotz klima und wandel auch wenn du ihn nicht siehst du weißt dass es nicht mehr lang dauert und wenn du ganz genau schaust siehst du schon die ersten knospen. die die fühler. aber dein blick starrt auf diese hand. grau vom schutt und blaugrün vom tod. und die verkrampften finger des vaters. der sie nicht loslassen kann. und du fragst dich ob dich das bild ob dich das auch so beschäftigen würde wenn die tochter wenn die nicht für immer.

dort. wo du nicht bist. was aber wenn die herkommt. diese krise. weil wo erst mal eine da kommt dann auch noch gleich die andere. anran.

#
dort. zwischen positionen. zwischen leben.
du weißt dass dieses eines morgendanns schon morgen.

#
wenn du heute hunger bekommst nimmst du dein handy weil du auch deinen beitrag. to good.
wenn dir kalt ist heizt du halt so. da. hin. weil der tag der abrechnung weil der erst kommt. zahltag ist später. wärme. pump.
trocknest halt so vor dich. hin. bis du vertrocknet. innendrin.
weil du schon lang nicht mehr gewässert. wie die müde topfpflanze vor dir.
weil die tränen einausgetrocknet.
weil du doch keine heulsuse.

#
nein
denkst du wütend.
was dich genau wütend macht. fragst du dich. aber natürlich erst viel später. im moment grummelt alles in dir und du würdest am liebsten laut aufschreien. und einfach gehen. zurück. in deine wohlfühlbubble. dich zuwegverstecken. wie alma die einfach ihr köpfchen an den baum und weg ist. in ihrer phantasiebuntwelt. mit ph.
aber du stehst deine frau in der bim und dann in deinem neuen teilzeit. job der kein beruf.

#
strahlst. wenn du endlich wieder alma. bist ein bisschen aufgeregt wenn du die tür zum kindergarten öffnest. ob sie dir in die arme. ob ihre augen zurückleuchten. ob du auch die richtige jause. ob sie seelenfrei am karussell. ob ihre minischaukel frei. die sie so gern.

#
ganz oben auf der schaukel ein bisschen schwindlig vor dir nur das blitzblau weil die wolken am horizont
siehst grad so wenig von dieser welt. die du mal erobern. nichts kann uns stoppen habt ihr euch gesagt und jetzt. ganz oben. still. während die welt weiterrast. und dich verliert.

leben. tot. punkt. dieser zwinkermoment. wenn alles ganz still. diese minipause. wenn du ganz oben. dieser moment. der still. steht. für diesen augenblick.
willst diesen blitzmoment festhalten. weil du weißt was kommt weil du nicht zurück.
willst was ändern. mit deinen postings
willst im regen tanzen
willst bunt über die grauen häuserwände
willst dich am liebsten festkleben hier oben
willst was bewegen obwohl du stimmstill.
zwischen den welten.
vor. zurück. bevor es wieder zurück. bevor es wieder zurück.

#
du weißt dass das jetzt eine übergangszeit du weißt dass die sonne mit dir um die wette. dass auch du wieder strahlen wirst.
bald.
dass du dann verliebt. und dieses dort zu deinem da.

#
wartest. dass du aufwachst. dass der herr eineseine wohnung. das mädchen noch am leben. damit du die bilder übermalst. die sich eingebrannt.
hoffst dass du ganz im schönmoment. mit alma. dass ihr zusammen. angekommen. an eurem dadortort.

#
morgenbesser. oder ganz morgen dann.
es läutet.

* * *

Renate Aichinger, geboren 1976, lebt schon lang in Wien. Schriftstellerin, Regisseurin, Kuratorin, KulturBrückenbauerin. Bücher & Abdrucke; Texte & Aufführungen u.a. Offene Burg (Leitung), Bürgertheater/Landestheater Niederösterreich (Leitung), Junge Burg, Junges Schauspielhaus Zürich; Rauriser Förderungspreis, Nestroy-Spezialpreis, Schwazer Stadtschreiberin, Jubiläumsfondsstipendium Literar Mechana, Projektstipendium Stadt Wien; Residenzen u.a. in Krakau, Venedig, Paliano, Triest; VERSOPOLIS-Poetin (Lviv/Ukraine, Antwerpen/Gent, Bratislava, Belgrad), Übersetzungen einzelner Gedichte u.a. ins Englische, Ukrainische, Spanische, Niederländische & Slowenische; 2021 erschien ihr viertes Buch #flirren (Edition Laurin).

* * *

Hier und Heute – Positionen österreichischer Gegenwartsliteratur ist ein Kooperationsprojekt der IG Autorinnen Autoren mit der Stadt Wien und der Zeitschrift VOLLTEXT. Jeden Freitag, bis zum 21. April 2023, erscheint eine neue literarische Erstveröffentlichung eines österreichischen Autors oder einer österreichischen Autorin. Initiiert wurde die Reihe 2021 von Claus Philipp, Gerhard Ruiss und Thomas Keul als Benefizaktion zur Bewältigung der Corona-Krise, seit Frühjahr 2022 wird sie als Beitrag der IG Autorinnen Autoren und der Stadt Wien in der Zeitschrift VOLLTEXT für den Gastlandauftritt Österreichs auf der Leipziger Buchmesse 2023 fortgesetzt. Die komplette Reihe kann unter https://volltext.net/hier-und-heute/ abgerufen werden.