Energie einer radikalen Privatsphäre

Von Marion Poschmann

Online seit: 29. August 2020

1. Die künftigen Themen der Literatur. Die Literatur als künftiges Thema.

Die Literatur ist das einzige Medium, das dem Subjekt eine kritische Selbstreflexion ermöglicht. In keiner anderen Kunstform gibt es die Ich-Perspektive, die vielgeschmähte Innenschau, überhaupt die Herausforderung, eine Figur ihren Gefühlen, Gedanken, Wahrnehmungen auszusetzen. Das ist die Kernkompetenz der Literatur und ihr existenzieller Anspruch. Stoffe sind modisch, das wird auch in Zukunft so bleiben, insofern halte ich die Frage nach den Inhalten der Zukunft für irrelevant. Wenn die Literatur keinen philosophischen Gehalt hat, mag sie untergehen. Dann kann ich nämlich gleich fernsehen.

Stoffe sind modisch, das wird auch in Zukunft so bleiben, insofern halte ich die Frage nach den Inhalten der Zukunft für irrelevant.

2. Die Werkstatt

Der Entstehungsprozess eines Werkes zeigt sich nicht an den Überarbeitungsstufen. Er ist ein Geheimnis, und er ließe sich auch nicht für andere transparent machen, indem ich meine Manuskripte aus der Hand gäbe, da ich selbst im Nachhinein nicht mehr weiß, wie mir manches gelungen ist. Im Hinblick auf den Informationsgehalt ist das Horten von Manuskripten sinnlos. Trotzdem hebe ich jedes einzelne beschriebene Blatt auf, um es vor fremden Blicken zu schützen. Wenn ich es nicht rituell verbrenne. Vielleicht ist es die Energie einer radikalen Privatsphäre, die der Literatur überhaupt erst ein gewisses Niveau verschafft. Daher gilt für mich die einfache Formel: je weniger Internet, desto besser das Buch.

Ich bin kein Lohnschreiber, sondern Künstlerin, und ich lehne es ab, meine Bücher in erster Linie als Produkt und die Leser als Kunden zu betrachten.

3. Die neue Öffentlichkeit

Literatur ist eine Form von Intimität, die zwischen dem Autor und dem Buch beziehungsweise dem