Rede, die niemand redet die Rede

Von Lydia Haider. „Hier und Heute – 100 Positionen österreichischer Gegenwartsliteratur“ – Teil 56

Online seit: 11. März 2022
Lydia Haider © Apollonia Theresa Bitzan
Lydia Haider. Foto: Apollonia Theresa Bitzan

Und siehe und siehe und siehe und schaust jetzt endlich mit Augen oder muss man das singen für dich damit es eingeht unter dein Dach da wie oft drangsaliert es die Fresse (noch sagen Schnapp) herzunehmen dich am Genick reindrückend ins Wahre mit dem Gesicht voran zum Wahrhaften rein dich Pudel dass es staubt vor Locken so ein Häusel so eine Theaterhütte dreimal selbst ins Knie ficken sollte zur Erhaltung der eig’nen Würde nun sei gesagt, Fickt euch halt 3x ins Knie des Tages, die ihr nur den Tag kennt und nie diese Nacht wo herumzuwürmeln in denen die man nicht sieht sie des Tages und nicht jene im Dunkeln sieht man nicht für eine alte Leier so ein Hut den man beim Reingehen schon leichtfüßig von der Birne schnippt und das ist nicht einmal eine Ansage noch eine Herausforderung denn das nicht nötig hey nötig wo lebst du mit solchen lebt eben kein Mensch normaler nur solche wo so jemand sagt da jemand jetzt was dazu ich höre dass jemand jetzt und hier tatsächlich ruft ich höre es wie einer ganz laut schreit und es spielt euch ein kleines Orchester dazu eine Untermalung eine eh kleine nur so, dass es nicht pathetisch wirkt was hört man da echt es weicht schon ab von dem Gewohnten, was gut ist und alle mögen das ich mag das auch wo so eine neue Sache spielt kann die Sache gut sein bei einem Denk-Sprech einer Wesensart, die dir auf den Tag, die Woche, das Moment, das Jahr will es ist eine Krux wo rekurier’ jetzt auf das, befrei’ es und sprich es los von zu losem Sein, das uns alle ruiniert und letztlich umbringt und niemanden etwas bringt außer diesen Theatern diesen wie sie sich Theater nennen selbstest bitte hast du gerade 2x du hast gerade 2x Theater gesagt hast du das als Theater da sind wir zurück wir sind zurück im Wahren ihr Babys, Bussis, Mäuse und all die Schatzis ich wir du er sie es zähle jetzt ein mache mit und mach mit hier und mach das jetzt und go for it und tue das jetzt was du willst du willst es directly so adesso leiwandest so viel in der Art nur allein komm tu mir bitte ich bitte dich jetzt geh mit mir her und geh in das was ich dir sage das da ist 10 – 9 – 8 – 7 – 6 – 5 – 4 – 3 – 2 – 1 und jetzt sind wir im Häusel drin so schnell es tut ja auch nicht weh stell dir vor wir könnten es nicht denn das ist so nein keiner kann Theater sein weil keiner das Theater versteht denn dieses hat es schwer wo wir gehen muss es gehen wo wir schauen muss es schauen wo wir pissen muss es pissen wenn das wüsste wo ich heute gepisst hab, um zu ihm zu gelangen – denkerisch – ich gelange, das Wesen ist stets denkerisch bei den Theatern, weil wir ihr Trauerspiel sicherlich ja so sicher wie das Amen im Gebet verstehen, wir SIND in Wahrheit die Theater auch von daher, wir leben sie mit, wir führen sie durch, weil wir wissen, was ihnen angetan und wogegen sie arbeiten stets müssen sie etwas des Tages – willst du sagen Aktuelles sowas Frisches wie ein österreichisches Schnitzel – herausbraten so herausbacken und ganz genau wissen, ob es rechtens und echt ist darin und richtig hergewaschen mit des Schnitzelprackers grindpeinlicher Musterspitzen hergehaut das wissen sie ja auch nicht und schreiben und denken und spielen sich in ihren Theatern die Finger wund sie sind gleich wund am Arsch und am Arm wie die Hände von des armen Schnitzelprackerführers Kochsauschädel da sie leiden nie mehr als wir auch nichts leiden diese ihr alle ihr Theater ihr guten und ihr schlechten wahrlich man sage euch nun man sage es euch zu hören mit Ohren die hören und Augen wie sie sehen können, denn das ist kein Spaßß, was wir hier machen das ist echt nichts anderes als Nicht-Spaßß und ganz allein ziemlich verdammt ernste Tatsachenscheiße also zu warnen euch hier und heute und es werde diese Warnung eures ganzen Lebens kein einziges mal wiederholet da ist es einzig hier und heute und nie wieder so gesagt so machet auf Augen wie diese eure Ohren –
Das ist schon –
Das ist schon –
Nichts kommt mehr herfür eines dies genau solches wenn es so sein soll dann nur SO immer und immer und immer und immer und bis wie es zu uns sagte es sagte es zu uns immer und immer wieder ihr Liebsten ihr tut das jetzt und ihr tut das bis zur Vergasung tut ihr das und nur so und für immer bis zu deinem Grab seid ihr herausgekrochen an einem Ort wo ihr das tut bis zur Vergasung und ihr geht fort von hier und ihr tut das dort egal wo ihr seid für immer und bis zur Vergasung tut ihr das und egal wo ihr je hingeht und wo ihr je glaubt anzulanden und von welchem Land ihr je glaubtet dass es euer Land sei nie sei ein Land eures da ihr immer tun müsst was ihr tun müsst bis zu eurer letztlichen zu bis zu eurer ganzen und letztlichen bis ganz egal zu welcher da sie ist die völlige und allumfassende eure eigene from the beginning bis zum allerletzten Ton an eurem verschissenem Grab eine einzige nämlich die eurige Vergasung von euch selbst da ihr von so einem Theater seid und ihr seid vom schlimmsten Theater her, das es gibt, von einem KZ-Theater, von einem KZ-Mauthausen-Theater, von einem Nazi-KZ-Mauthausen-Scheißdreckstheater, seid von einem KZ-Theater aus Mauthausen dort aus dem Leibe eurer Mutter gekrochen und hat euch also gemacht zu einem letztlich Tiefwurzler dort mit einer Tiefe der Geschichte päh es ist unaussprechlich Wäh pfui ich will es nicht sagen, das haben meine Freunde sind die Töne die besoffenen schon wieder die Harmonienwechsel immer die ungewissen wo niemand weiß, ob es nun in den Film geht, den wir kennen und uns selbst spielen kennst du das eh auch so viel Film BauchalBauchalProst und ZickezackezickezackeHeyheyhey auf dem Platz und anderswo zur Haltung ein Maß konntest immer halten und sehr viele weitere sie zu bereden so sie unter den Tisch zu saufen mit aller Kraft so sie in Kartenspielen zu schlagen zu spätester Stunde so ihnen die Nase zu brechen aus dem Hinterhalt so in deinen Rudeln etwas zu sagen, das du dachtest und so mit ihnen zu gehen und dich lehren zu lassen, wie man etwas sagt, dich lehren zu lassen, wie man aus dem Hinterhalt manch’ Nase bricht, dich lehren zu lassen, wie du zu spätester Stunde noch jedes Kartenspiel auf höchstem Einsatz gewinnst, dich lehren zu lassen, wie du es genau machen trainieren dir aneignen kannst diese Vielen dann unter einen Tisch zu saufen, sag wer hat dich gelehrt, diese zu bereden wie man jemanden beredet und wie du seit du denken kannst alle beredest – wer hat dich das gelehrt?
Es war das Theater, ja sicher, es war das ewige Theater da.
Lass dich nur ja nicht provozieren oder glaubst das ginge überhaupt dass du überhaupt irgendwas siehst oder schaust oder begreifen ist weit entfernt von dir ein Scherz ein einziger.

* * *

Lydia Haider, *1985, Schriftstellerin, lebt in Wien und Berlin. Chefpredigerin der Musikkapelle gebenedeit. Studierte Germanistik und Philosophie, ist Mutter zweier Kinder und organisiert mit Kolleg*innen die Lesereihe Blumenmontag. Schreibt mit der Wiener Grippe/KW77 Reiseberichte. Hausautorin am Volkstheater Wien und Autorin und Performerin auch für andere Theater, etwa die Volksbühne Berlin. Div. Auszeichnungen und Preise, zuletzt Bachmannpreis-Publikumspreis 2020. Bücher u.a.:
Kongregation, Roman 2015 und rotten, Roman 2016, beide Müry Salzmann Verlag, Am Ball, Roman, rd-edition 2019, Wort des lebendigen Rottens. Gesänge zum Austreiben, parasitenpresse 2020.

* * *

„Hier und Heute – 100 Positionen österreichischer Gegenwartsliteratur” ist ein Gemeinschaftsprojekt von Gerhard Ruiss, VOLLTEXT und den beitragenden Autorinnen und Autoren. Die Texte der Serie erscheinen wöchentlich, jeweils am Freitag, und können auch als Newsletter abonniert werden. „Hier und Heute – Positionen österreichischer Gegenwartsliteratur” wurde auf Initiative von Claus Philipp durch Spenden für den Lesemarathon Die Pest sowie eine Förderung der Stadt Wien als Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise ermöglicht. Die ursprünglich für ein Jahr geplante Serie wird nun zur Hinführung auf den Österreich-Schwerpunkt der Leipziger Buchmesse bis März 2023 fortgesetzt.