Bühnenerfahrung

Von Karin Peschka. „Hier und Heute – Positionen österreichischer Gegenwartsliteratur“

Online seit: 20. August 2021
Karin Peschka © Raphael Gabauer
Karin Peschka. Foto: Raphael Gabauer

Frau X wird auf die Bühne gehoben. Im ersten Moment kennt sie sich nicht aus. Wo sie ist und warum. Aber, letztlich hebt man sie auf die Bühne. Hunderte Hände. Ist kurz zuvor hinten gestanden, am Rand der Menge, ein wenig abseits. Frau X legt keinen Wert auf Gedränge, nie. Im Gedränge, findet sie, sieht man nichts. Oder nur Teile des Ganzen. Einen Musikerkopf. Eine in die Luft geschwungene Gitarre. Bei anderen Anlässen anderes: Scheitel, Nasen, verhuschte Bewegung. Die großen Bildschirme links und rechts der Bühnen, diese aufgewürfelten Monitore, sind nicht besser.
Frau X achtet immer auf Abstand, seit jeher. Bei Konzerten, politischen Kundgebungen, in der Bäckerei, in Buchhandlungen, im Schwimmbad, auf Demonstrationen, die sie besucht, um teilzunehmen. Um sich durch die Teilnahme vom Gefühl der Hilflosigkeit zu distanzieren. Was gelingt, wenn rund um sie Raum ist. Wenn die Menschen freundlich bleiben und andere Menschen dazu bringen, aus Fenstern zu winken. Freude und Wut, gemeinsam formuliert: Frau X ist durchaus imstande, Protestgesänge anzustimmen. Sie kann auf zwei Fingern pfeifen und tut es manchmal im Hochgefühl.
Frau X ist eine temporäre Mitläuferin, die sich, sobald der Zug zum Stehen kommt, sobald Reden geschwungen werden (wie Gitarren auf Konzertbühnen), einen sicheren Platz sucht, eine Hausmauer, einen Hauseingang, einen Treppenabsatz, ein Straßeneck, wo sie unter dem blauen Schild, das den Straßennamen verrät, mit Sonnenbrille und schmalen Lippen lauscht. Die raue Struktur der Mauer im Rücken, mit Glück von der Sonne angewärmt.
Die schmalen Lippen sind ihr angeboren, haben nichts Sinnliches, nichts Schiefes, bleiben ohne Farbe, weil: Wofür? Die Möglichkeit, eines Tages von hunderten Händen vom hinteren Rand einer Menge über diese getragen zu werden und auf die Bühne gestellt, hat sie nicht bedacht.
Sie trägt ihre Sonnenbrille, die beim Distanzhalten hilft. Sie trägt Skinny-Jeans und Turnschuhe, also Sneaker, und ein T-Shirt. Ihre leichte, knielange Jacke fiel, wie ihre Tasche, in eine der fremden Hände.
Frau X steht am Bühnenrand und blinzelt durch die getönten Brillengläser ins Scheinwerferlicht. Bis ein Mann ihr auf die Schuhspitzen tippt. Er ist groß und bullig, seine Glatze dominant, er sieht aus dem Bühnengraben zu ihr hinauf und deutet. Auf etwas, das hinter Frau X sein muss. Bewegt auch die Lippen, aber der Lärm ist enorm. Man hat ihm hier einen Trampel vor die Glatze gestellt. Der wie angewurzelt stehen bleibt und den Ablauf stört durch Nichtwissen der Gepflogenheit. Das liest Frau X im Mienenspiel des Bulligen. Nein. Das glaubt sie, aus dessen Mienenspiel zu lesen. Es ist nicht deutlich.
Sie macht einen Schritt zurück. Die Menge, die sie getragen hat auf ihren Händen, die sie schweben ließ und dazu jubelte. (Frau X nimmt an, wegen der gemeinsam vollbrachten Aktion, jemanden von ganz hinten nach ganz vorne zu versetzen, zu verstellen eigentlich.) Diese Menge verstummt, das laute Reden und Murmeln und die vereinzelten Pfiffe, es wird still. Wirkt in Frau X nach, das Schweben, der Klangteppich darunter und darüber im Widerhall. Die Berührungen am ganzen Körper. Hände am Hinterkopf, am Gesäß, an den Schultern, auf der Rückseite der Ober- und Unterschenkel. Zwischen den Beinen? Hatten sich Finger nach vorne verirrt, zu den Brüsten? Sie könnte es nicht sagen.
Ein Sport-BH hält alles an seinem Platz, sie mag die Enge, das gute Gefühl, verpackt zu sein. Solange, bis sie daheim die Tür hinter sich schließt und ihr im selben Moment die Luft wegbleibt, eine Seltsamkeit. In ihrer Wohnung muss sie umgehend aus dem BH schlüpfen, noch bevor sie den Schlüssel an seinen Haken gehängt hat. An diese Marotte denkt sie und wundert sich, worin sie begründet ist, ob ihr buchstäblich die Luft wegbliebe, behielte sie den BH in der Wohnung an, oder ob sich hier bloße Gewohnheit mit Einbildung verknüpfe und dem oft vor Freundinnen wiederholten Bekenntnis, dass das erste, was sie sich vom Leib reiße nach einem Arbeitstag, der BH wäre. Noch vor dem Schlüsselaufhängen, wisst ihr? Noch bevor ich mir die Schuhe ausziehe.
Eine verbindliche Anekdote? Verbindlich im Sinne von: sorgt immer für Zustimmung und Einigkeit?
Dass sie sich über ihr privates Verhalten wundert, findet sie unpassend, denn sie steht auf einer Bühne und sollte sich eher darüber wundern. Ein Ersatzwundern, denkt sie sich. Und dass man daraus auf eine Neigung zur Abwesenheit schließen könne.
Die völlige Stille lässt sie aufhorchen, lässt Frau X die Ohren öffnen, lässt sie zurückkommen aus der Wohnung in die Gegenwart, die eine Bühne ist und ein unverhofftes Auftreten.
Frau X schiebt die rechte Hand in den T-Shirt-Ausschnitt, auf Höhe des Schlüsselbeins. Fühlt nach dem Sport-BH-Träger, er sitzt, wo er sitzen soll. Fühlt vor allem aber die eigene warme Haut. Und findet das beruhigend. Liegt des Nachts so im Bett, eine Hand auf dem Bauch oder dem Oberschenkel, unter den Pyjamahosenbund geschoben. Auf diese Weise spürt sie sich und kann einschlafen.
Frau X auf der Bühne. Beschattet ihre Augen. Wie auf ein vereinbartes Zeichen hin setzt sich etwas in Bewegung. Werden Scheinwerfer umgesteuert, verbreitern das Licht, verändern die Farbe von Blendweiß in Warmgelb.
Durch den Wegfall der Blendung sollten nun große Teile des Publikums zu sehen sein, schätzt Frau X und nimmt die Sonnenbrille ab, um die Schätzung zu verifizieren. Setzt die Brille wieder auf, als ihr einfällt, die Tasche ist weg, mit ihr das Etui mit der normalen Brille. Da sie stark kurzsichtig ist und die Gläser der Sonnenbrille optisch sind, würde sie ohne diese nichts sehen. Nicht den bulligen Mann, der sich abgewandt hat und die Menge beobachtet, als einer von mehreren Männern, in gleichmäßigen Abständen stehend, allesamt so groß und kräftig gebaut wie dieser erste. Nicht die hüfthohe Absperrung, an die sich – vier bis fünf Meter von der Bühne entfernt – die vorderste Reihe der Menschen drängt. Nicht deren Gesichter, neutral im Ausdruck, aber bereit zum Kippen in Freude, in Hohn, in Achtung, in Enttäuschung, in Langeweile, in Ungeduld, in Verehrung, in Begeisterung.
Hat genug Mengen beobachtet, Frau X, um diese Bereitschaft zu bemerken, durch das getönte Glas, mit zusammengepressten, schmalen Lippen, ohne ihre Tasche und ohne die knielange Jacke, deren Zweck ist, den Körper zu umhüllen. Ihre Hüften sind breiter als ihre Schultern, weswegen sie einst von einer Stil- und Farbberaterin angewiesen wurde, weit schwingende Kleider eng anliegenden vorzuziehen und Röcke zu vermeiden. Die Stil- und Farbberatung war ihr als Gratis-Service in der Boutique einer Kleinstadt angeboten worden, in der sie auf Besuch gewesen war. Sie hatte im Schaufenster ein Kleid gesehen, das ihr gefiel. Grün und blau und körpernah geschnitten. Kräftige, schöne Farben. Die Stil- und Farbberaterin riet jedoch zu zartem Pastell, alles andere mache sie blass. Hielt Tücher an ihr Gesicht, hatte einen Koffer voller Tücher dabei, eine unendliche Auswahl an Mustern, groß und klein und quer und schraffiert und Vögel und Blumen und Anker in Gold.
In Gold, sagt Frau X und sagt es laut. Hebt ein Murmeln an, ein Fragezeichen über der Menge. Stellen sich einander Unbekannte die Frage: Was hat sie gesagt, haben Sie es verstanden? Erheben sich junge Frauen aus dem Meer der Köpfe, werden von jungen Männern auf die Schultern genommen, denn nun ginge es los, nun werde es spannend. Murren dahinter welche, deren eingeschränktes Sichtfeld zusätzlich eingeschränkt wird, man steht (endlich) wieder dicht an dicht. Wachsen aber mehr und mehr junge Frauen aus dem Meer der Köpfe, manche halten Dosenbier in der Hand.
Frau X staunt über die Qualität ihrer Brille, die Optikerin hat recht, sie sind noch gut. Sie halten ein weiteres Jahr oder zwei, ihre Augen sind nicht schlechter geworden. Ein anderer Optiker hätte Ihnen neue Brillen eingeredet, sagte die Optikerin, während sie eine ihrer Ansicht nach zu lockere Schraube an einem Bügel festzog. Danach reinigte sie die Gläser professionell.
Streifenfrei.
Sagt Frau X und wieder sagt sie es laut. Nach Gold senkte sich ein Mikrophon vor ihre Nase, es baumelt hin und her. Das Streifenfrei geht durch Mark und Bein, da der Ton erst eingestellt werden muss. Spontane Verstellaktionen wie diese, die Frau X auf eine Bühne verstellsetzte, bieten keine Zeit für Tonproben. Das Quietschen und Knarzen, bei dem sich das Publikum biegt und stöhnt: Die unangenehmen Geräusche sind geradezu der Beweis für die Spontaneität der Aktion.
Wo ist sie hineingeraten? Frau X überlegt angestrengt. Wie hat der Tag begonnen, der hier, auf dieser Bühne, nicht endet, aber innehält.
Frau X neigt zum poetischen Denken, zum Träumen mit geschlossenem Mund. Neigt dazu, das gedachte Gemalte in sich zu behalten, aus Höflichkeit. Es gab Anlässe, Lernprozesse. Verwirrungen, weil immer, nein, das ist gelogen, nicht immer. Weil oft die Zuverlässigkeit der Übersetzung fehlt. Taumeln ihr Bilder durch den Sprachkopf oder das Sprachherz oder den Sprachbauch. Und wird sie dann gefragt nach Konkretem. Einer Meinung. Einem Standpunkt. Einer Haltung. Herrje. Weiß Frau X immer, was sie ausdrücken will. Denkt über alles lange nach, ist mit sich selbst im reinen, im klaren Verständnis, und wenn nur darüber, nicht sicher zu sein. Etwas nicht fassen zu können.
Kommt eine Frage, auf die sie mit großer Gewissheit eine Antwort hat. Dann ist es eben nicht eine Antwort, sondern ein Strom an Antworten im Wörterbauch oder -kopf oder -hals oder -herz. Dann gelingt es Frau X selten und wenn, mit großer Anstrengung und Konzentration, diesen Strom zu bändigen und tatsächlich eine Antwort zu geben. Eine. Nicht zwanzig. Um sich dann zurückzulehnen, die Beine übereinandergeschlagen, die Hände breit auf den Armlehnen eines bequemen Möbels, daneben ein Tischchen mit einem Glas Wasser. Gegenüber im Rund die anderen Diskutantinnen und Diskutanten, die Moderatorin, die beifällig nickt, das klug Pointierte wirken lässt, den Faden aufgreift, während der Wörterstrom in Frau X schwankt und steigt und fällt mit dem Pulsschlag.
Jemand schreit. Mach endlich! Schreit es. Frau X ist nicht in einer der Diskussionsrunden gelandet, die sie sich in Online-Mediatheken ansieht. In die sie sich hineinträumt mit einer erträumten und daher jederzeit abrufbaren Eloquenz, die ihr logisch erscheint (im Traum), wo ihr doch beim Gehen durch die Stadt all die Antworten auf all die Fragen einfach passieren. Sich formen und gut sind. Darauf warten, ausgesprochen zu werden. Die beim Warten und Gehen durch das ständige Hinzufügen neuer WortSatzBilder in Unordnung geraten. Und sich zu einem Knäuel verfilzen. Einem Wortgewöll.
Einem Filz.
Sagt Frau X. Filz. Sagt es auf der Bühne, in das Mikrophon vor ihrer Nase, das mittlerweile von der Tontechnik eingestellt wurde. Kommt zum warmen Scheinwerferlicht die warme Klangfarbe ihrer Stimme, in dieser warmen Spätsommerabendnacht. Alles zusammen hat etwas Beruhigendes. Hält die Unruhe auf, die schon da ist, aber noch schwach. Filz ist nicht das richtige Wort, um eine Unruhe klein zu halten. Schon steigt Zustimmung. Gold und Streifenfrei sind harmlos im Vergleich zu Filz. Bei Filz fühlen sich einige angesprochen, rufen laut: Stimmt! Ein Filz ist alles!
Das meint Frau X nicht. Sie meint gar nichts. Sie ist aus dem Haus gegangen, um sich zu bewegen. Um die innere Bewegung durch die äußere zu besänftigen. Um sich diese Sanftheit zunutze zu machen. Sie ging, die Luft mild, die Schatten lang, der Asphalt duftig. Sie geriet in ein Treiben und ließ sich mittreiben. Kam an einem Rand zu stehen und lauschte, ohne zu lauschen. Wurde erst von einem Suchscheinwerfer erfasst, dann von fremden Händen. Versteifte sich unter der Berührung.
Frau X ist zu höflich, um sich zu wehren.
Ist zu höflich, um der Farb- und Stil-Beraterin zu widersprechen.
Um die Optikerin darauf hinzuweisen, dass der Brillenbügel nun derart fest sitze, dass sie Kopfschmerzen bekäme.
Um dem Bulligen auf die Finger zu treten als Reaktion.
Aber ist reflektiert genug, um ihre Höflichkeit als das zu erkennen, was sie ist: ein Abstandhalter.
Jemand in Bühnennähe versucht, einen Sprechchor zu initiieren. Filz, Filz, Filz, ruft er und klatscht drei Mal fest in die Hände. Filz-Filz-Filz-pat-pat-pat. Er wiederholt und wiederholt es. Filz-Filz-Filz-pat-pat-pat. Bis die ersten einstimmen. Mitfilzen. Mitklatschen.
Der magere Sprechchor versiegt. Frau X hat die Hand gehoben. Hält sie zögernd einen Moment in der Luft. Rückt sich die Sonnenbrille zurecht. (Aus keinem anderen Grund hatte sie die Hand gehoben.) Beugt sich vor, sieht in die Menge. Versucht, die Gesichter zu lesen; dass es ihr schwer fällt, kann nicht an der Schärfe der Gläser liegen. Möglich, Maskenhaftes ist zurückgeblieben als Resultat der Zeit. Sieht junge Frauen auf den Schultern junger Männer, von denen einige vor Anstrengung schwanken, die Wangen hochrot. Frau X beobachtet, wie sie in die Knie gehen und ihre Frauen absteigen lassen. Andere halten durch. Besonders ein Paar, in schräger Linie von der Bühne nur wenige Kopfreihen entfernt. Sie sehen einander an, die Frau auf den Schultern des Mannes und Frau X.
Sechzig Sekunden oder länger.
Soviel Freiheit, denkt Frau X, soviel Chuzpe, sich ohne Rücksicht auf andere bessere Sicht zu verschaffen. Wie beneidenswert arrogant. Weil sie. Hätte nie.
Aber wenn sie sich auf diese eine junge Frau konzentrierte. Sich vorstellen würde, mit ihr im Gespräch zu sein. Rede und Gegenrede, Frage und Antwort. (Frau X gibt immer Antwort.) Dabei, denkt sie in Richtung der Fremden, dabei deren Mimik studieren. Die Verengung der Augen für die Dauer einer Millisekunde, das kaum wahrnehmbare Zucken der Mundwinkel. Eine Geste, Finger vor den Lippen, das Neigen des Kopfes, das überbetonte Ausatmen zum Geduldfassen mit der Sprach-Umständlichen. All das hilft. Signale, die den Wörterstrom leiten und zügeln und die Schleusen kontrollieren.
Signale, sagt Frau X laut.
Und überlegt, nach wie vor im Blickkontakt mit der jungen Frau, worüber sie mit ihr sprechen könnte. Über das, was hinter ihnen liegt, über anhaltende Verwirrung und wirtschaftliche Folgen und Gewinner und Verlierer. Über den Femizid? Wir könnten, denkt Frau X, über Politik diskutieren, Grenzen als reales oder moralisches Konstrukt erkennen und dekonstruieren. Wir könnten uns warm reden (aus der Starre reden), überlegen, ob Krisen einen Lerneffekt nach sich ziehen, den Zynismus aus dieser Aussage filtern, und uns fragen, ob es einen Alltag gibt. Wie sich der Nationalegoismus hinter weltweit gehypten Hash-Tag-Parolen verbergen kann wie ein Kind, das Verstecken spielt, indem es sich die Augen zuhält, oder wie Erwachsene, die vorgeben, dieses Kind aus genau diesem Grund zu übersehen. Ob das Wort systemrelevant mehr ist als eine Hülse, als ein Framing, als ein Vorwand, als ein.
Der Mann geht in die Knie, die junge Frau verschwindet. Der Blickkontakt bricht ab.
Ein Signal?
Hier. Sagt der Bullige im Bühnengraben. Klopft auf die Bretter, damit Frau X ihn bemerkt. Am Bühnenrand: ihre Tasche, daneben die knielange Jacke.
Abgang. Sagt der Mann. Schnipst mit den Fingern, das Licht geht aus, ein Suchscheinwerfer fährt über der Menge hin und her, im Zickzack, vor und zurück, es wird gekreischt und gejubelt und gelacht.
Im Schatten der nun dunklen Bühne schlüpft Frau X in ihre Jacke, nimmt aus der Tasche das Etui, aus dieser die normale Brille, verstaut die Sonnenbrille, schließt die Tasche und geht vorsichtig ab, mit dem Gefühl, viel gesagt zu haben, aber wieder nur sich selbst.
Auf dem Heimweg zirpt es, ist Frau X froh, sich die Peinlichkeit erspart zu haben, auf zwei Fingern zu pfeifen, da es selten auf Anhieb gelingt. Je näher sie ihrer Wohnung kommt, desto enger scheint ihr die Brust zu werden.

(Gezeichnet: Frau X)

Karin Peschka, geboren 1967, aufgewachsen in Oberösterreich. Lebt und arbeitet in Wien. Bisher bei Otto Müller, Salzburg, erschienene Bücher: Watschenmann (Roman, 2014), FanniPold (Roman, 2016), Autolyse Wien (Erzählungen, 2017), Putzt euch, tanzt, lacht (Roman, 2020) Webseite: http://peschka.at

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„Hier und Heute – Positionen österreichischer Gegenwartsliteratur” ist ein Gemeinschaftsprojekt von Gerhard Ruiss, Thomas Keul und Claus Philipp und den beitragenden Autorinnen und Autoren. Die Texte der Serie erscheinen wöchentlich, jeweils am Freitag, und können auch als Newsletter abonniert werden. „Hier und Heute – Positionen österreichischer Gegenwartsliteratur” wurde auf Initiative von Claus Philipp durch Spenden für den Lesemarathon Die Pest von Albert Camus des Wiener Rabenhof Theaters und des ORF-Hörfunksenders FM4 im Frühjahr 2020 ermöglicht. Die Reihe wird von der Stadt Wien aus Mitteln der Literaturförderung unterstützt.