Arthur Koestler: Sonnenfinsternis
Zweite Lektüre. Viel zu spät entdeckt. Angeblich eines von David Bowies Lieblingsbüchern. Wenn ich die Jüngeren frage, ob sie Koestler kennen, schütteln sie nur den Kopf. Bowie wurde wohl durch den großen Erfolg von Darkness at Noon im englischsprachigen Raum auf den Roman aufmerksam.
Ich habe das Buch in den frühen 1990er-Jahren geerbt, es ist aus dem Restbestand der Bibliothek eines jüdischen, kommunistischen Arztes, der im Karl-Marx-Hof ordinierte. Sonnenfinsternis war in den Augen von Erich Schindel (Onkel von Robert Schindel) Literatur eines Renegaten. In diesen „Rechthabervereinen“ (so der Neffe über die uneinsichtigen Kommunisten in einem Essay) war der Renegat das Allerletzte.
Wer will schon die Literatur eines „Allerletzten“ lesen. Lange lag das Buch bei mir herum. Dass es in der Bibliothek eines bis zum Schluss überzeugten Kommunisten gewesen war, lässt doch vermuten, dass die Zweifel schon am Keimen waren …
2018 erschien dann die Originalfassung des Romans, die machte mich neugierig, zumal mir erst da klar wurde, dass meine alte, geerbte Fassung nur eine Rückübersetzung aus dem Englischen war.
Koestler sezierte im Pariser Exil (1938–1940), Tür an Tür mit Walter Benjamin lebend, nachdem er die Todeszellen Málagas und Sevillas unter Franco überlebt hatte, die Willkürherrschaft Stalins, während der Großteil der Kommunisten noch an das „theoretische Zukunftsglück“ glaubte. Blinde „Führervergottung“ also.
Rubaschow vor dem Untersuchungsrichter stehend: „Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Bewegungsfreiheit sind so gründlich ausgerottet, als hätte es niemals eine Proklamation der Menschenrechte gegeben. Wir haben den größten Polizeistaat der Geschichte aufgebaut, den gigantischsten Bespitzelungsapparat, das raffinierteste wissenschaftlichste System körperlicher und psychischer Folterung.“ Es sind vier Verhöre, in denen an Rubaschow (der vorher auch schon auf der anderen Seite gewesen war und selbst verhört hatte) die dem System inhärente perverse Logik der Schauprozesse vorgeführt wird. Am Ende bekennt Rubaschow, was er nicht begangen hat. Auch bei der zweiten Lektüre Bewunderung für die eindringlichen Beschreibungen der Gefängnisszenen, für den Mut zu dieser frühen und radikalen Abrechnung mit dem totalitären Kommunismus.
Die französischen Kommunisten haben bei Erscheinen des Romans 1946 alle Bücher aufzukaufen versucht. Die Wahrheit über Stalin sollte keiner erfahren. Aber die Aktion bewirkte das Gegenteil, aus dem Buch wurde ein Bestseller (400.000 verkaufte Exemplare). Grandiose Klassenfeindlektüre! Für die Konservativen war Sonnenfinsternis freilich eine willkommene Waffe im Kalten Krieg.
* * *
Gerhard Kofler:
Taccuino delle ninfee (Notizbuch der Wasserrosen) und
Taccuino su Nuova York a distanza (Notizbuch über New York aus der Entfernung)
Bis vor Kurzem habe ich immer nur in diesen Taccuini geblättert, denn Gerhard Kofler war vor allem ein italienischer Lyriker, einer mit einem deutschen Namen, das haben ihm viele nicht verziehen. Am meisten hat Kofler geärgert, wenn man ihn einen als Italiener verkleideten Südtiroler genannt hatte. Im Notizbuch der Wasserrosen, das er auf Italienisch geschrieben und dann selbst ins Deutsche übertragen hat, kommt so manche (berechtigte) Empfindlichkeit zur Sprache. Dass kein Gedränge um ihn herrsche. Aber um welchen Lyriker herrscht schon Gedränge? Und dass man in Südtirol in zwei Sprachen über seine Gedichte schweige.
Dieser Beitrag ist nur für Abonnenten zugänglich. Bitte melden Sie sich in Ihrem Konto an, oder wählen Sie eines der drei unten stehenden Abos, um sofort weiterzulesen.
Das erfolgreichste, weil intellektuell beweglichste Literaturblatt unserer Tage*
– für den Preis von einem Espresso im Monat.
Förder-Abo
€ 9,00 / Monat
(Mindestlaufzeit: 12 Monate)
- Zugang zu allen Online-Beiträgen
- Printausgabe (4 Hefte / Jahr)
- E-Paper-Ausgabe (4 Hefte / Jahr)
- 300+ Online-Beiträge / Jahr
- Online-Leseproben und Vorabdrucke
- Zugang zu E-Paper-Ausgaben im Archiv
- Zugang zu ca. 2000 Beiträgen im Archiv
- Tägliche Presseschau
- Newsletter
- Novitäten-Telegramm
- Preis-Telegramm
- Ausschreibungen
- Ausgewählte VOLLTEXT E-Books
- Ausgewählte VOLLTEXT Specials
Digital
€ 2,00 / Monat
(Mindestlaufzeit: 12 Monate)
- Zugang zu allen Online-Beiträgen
- E-Paper-Ausgabe (4 Hefte / Jahr)
- 300+ Online-Beiträge / Jahr
- Online-Leseproben und Vorabdrucke
- Zugang zu E-Paper-Ausgaben im Archiv
- Zugang zu ca. 2000 Beiträgen im Archiv
- Tägliche Presseschau
- Newsletter
- Novitäten-Telegramm
- Preis-Telegramm
- Ausschreibungen
Print & Digital
€ 3,00 / Monat
(Mindestlaufzeit: 12 Monate)
- Zugang zu allen Online-Beiträgen
- Printausgabe (4 Hefte / Jahr)
- E-Paper-Ausgabe (4 Hefte / Jahr)
- 300+ Online-Beiträge / Jahr
- Online-Leseproben und Vorabdrucke
- Zugang zu E-Paper-Ausgaben im Archiv
- Zugang zu ca. 2000 Beiträgen im Archiv
- Tägliche Presseschau
- Newsletter
- Novitäten-Telegramm
- Preis-Telegramm
- Ausschreibungen
* Saarländischer Rundfunk
FAQ
Wie kann ich ein VOLLTEXT-Abonnement verschenken?
Sie können alle VOLLTEXT-Abonnements befristet oder unbefristet verschenken. Die Mindestlaufzeit beträgt ein Jahr. Danach kann das Abonnement auslaufen oder wahlweise durch die Schenkenden oder die Beschenkten verlängert werden.
–> Bestellinformationen
Was sind E-Paper-Ausgaben?
E-Paper-Ausgaben entsprechen 1:1 der gedruckten Zeitschrift. Abonnenten erhalten nicht nur Zugriff auf die jeweils aktuelle Ausgabe, sondern auch auf ältere Hefte im Archiv (gegenwärtig alle Ausgaben seit 2016).
Gibt es Kündigungsfristen?
Nein, Sie können das Abonnement jederzeit formlos per E-Mail oder Post kündigen.
Ich bin bereits Abonnent der Printausgabe und möchte Zugang zu den Online-Beiträgen, wie komme ich dazu?
Wenn Sie bereits über ein Online-Konto auf Volltext.net verfügen, können Sie mit Ihrem bisherigen Passwort auf die Beiträge hinter der Paywall zugreifen.
Ich kann die heruntergeladenen E-Paper-Ausgaben nicht öffnen.
Die E-Paper-Ausgaben sind mit einem Passwort geschützt. Informationen zum Passwortschutz finden Sie nach der Anmeldung auf der Startseite Ihres Online-Kontos.
Wo finde ich mein Online-Konto?
Am oberen, rechten Rand des Bildschirms finden Sie einen Link „Mein Konto“, über den Sie sich einloggen können.