Beschreibung
Tu sei bianco tu sei nero
tu sei quasi jugoslavo
– Gianna Nannini
Ich weiß nicht, ob sie in mir den Ausländer sahen. Es waren zwei Männer und eine Frau. Sie standen vor dem Eingang zur Hamburger Kulturbehörde und rauchten. Ich sollte dort mehrere Exemplare meiner Bücher abliefern, zwölf insgesamt, auf vier Pakete verteilt. Dafür hatte ich lauter gebrauchte amazon-Verpackungen verwendet, und einer der drei Rauchenden trat mir jetzt in den Weg und fragte, zu wem ich wolle, er erwarte von der Firma eine Sendung. Damit deutete er auf den amazon-Schriftzug auf einem der Pakete, und ich ertappte mich dabei, wie ich mich augenblicklich verhielt, als wäre ich tatsächlich der Austräger. Ich versuchte, möglichst unbedarft zu schauen und mein schönstes Armer-Leute-Kind-Gesicht aufzusetzen, um ihm die Sache zu erleichtern. Zudem ließ ich die Schultern hängen, senkte den Blick und bemühte mich sogar, verwaschen undeutlich zu sprechen, als wäre meine Muttersprache ganz sicher nicht Deutsch. Doch der Mann hatte sich schon enttäuscht abgewandt, und ich huschte an ihm vorbei ins Gebäude. Bis Weihnachten waren es nur noch wenige Tage, wahrscheinlich hatte er auf die Geschenke für seine Familie gehofft, die er sich ins Amt bringen ließ, und ich wusste es zu schätzen, dass er nicht auf die Idee kam, mich für einen Schriftsteller zu halten oder, viel schlimmer, für einen richtigen Künstler mit Künstlerattitüde, ein wenig verschmockt vielleicht, wie es sich gehörte, und Künstlersozialversicherung, das drohende Alter im Nacken, die niederschmetterndsten Bitt- und Bettelgänge bei Ämtern und Behörden noch vor mir …
[…]
Ich versuchte, möglichst unbedarft zu schauen und mein schönstes Armer-Leute-Kind-Gesicht aufzusetzen, um ihm die Sache zu erleichtern.
[…]
Ein halbes Leben davor hatte ich mir während meines Mathematikstudiums in Innsbruck eines Tages eingebildet, ich müsse für eine
Zeitung schreiben.
[…]
Wenn es den Vorstellungen der Gäste entsprach, zögerte ich also auch nicht, aus meinem Vater einen brutalen Saufkopf zu machen, der seine Kinder beim geringsten Anlass windelweich schlug.
[…]
Er hatte mich gefragt, ob ich mit ihm einen Kaffee trinken ginge, und als ich merkte, dass er nicht auf einen Coffee Shop zusteuerte, war es
schon zu spät.
[…]