Neulich: Ausgrenzung im Namen der Wissenschaft

Andreas Maier liest Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse und findet darin die Corona-Ära prägnant beschrieben.

Online seit: 5. Januar 2022

Neulich besuchte ich einen Mann. Alt (wie ich), weiß. Bleich geradezu. Er hat offenbar länger kein Licht gesehen. In seinem Bart hingen Tabakbrösel, sie hatten die Haare bereits seit längerem eingefärbt. Keine Ahnung, wann er den Bart das letzte Mal gewaschen hat. Während ich bei ihm saß, rauchte er permanent. Er drehte Zigaretten mit Filter, und wenn sich die Glut dem Filter näherte, riss er die Filter ab, um noch zwei, drei Züge mehr aus der Zigarette herauszubekommen. Zumindest kam mir das so vor. Vielleicht riss er die Filter auch aus bloßer Nervosität ab.

Für spätere Zeiten postuliert Freud vor genau hundert Jahren, dass es dermaleinst die Wissenschaften sein könnten, um deren willen Menschen ausgeschlossen, gestraft und gegängelt werden könnten wie weiland von der Inquisition.

Wir saßen an einem Tisch. Auf dem Boden lagen zahllose Bücher. Obenauf sah man Gustave Le Bons Psychologie der Massen. Es hätte dort auch Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse liegen können, vielleicht steckte es ja in irgendeinem der Haufen. Hinter den Haufen erhoben sich leere Bierflaschen wie die Türme von San Gimignano gegen die vor einer Balkontür herumlungernde Tagesgrauheit. Manchmal ist man ja fassungslos, dass es Bücher gibt, in denen alles drinsteht, die aber keiner liest, und wenn, dann genau falsch herum. Jede Gesellschaft hält sich immer für gut, und jede Gesellschaft braucht immer ein anderes, auf das sie die dunklen Seiten ihrer seltsamen libidinösen Bindungen abladen kann. Was die Gesellschaft eint, ist durch die Zeiten verschieden. Vor Freud war es die Religion, zu Freuds Zeiten schien der Sozialismus zu einer solchen Idee heranzuwachsen (die Konsequenzen kann man dann bei Isaak Babels Reiterarmee nachlesen, lag vielleicht