VOLLTEXT 4/2021

5,90

Mit Beiträgen von Clemens J. Setz, Felix Philipp Ingold, Arno Geiger, Anna Kim, Norbert Gstrein, Alexander Kluge, Michael Braun, Paul-Henri Campbell, Susanne Schleyer, Andreas Maier, Jan Wilm, Daniela Strigl, Karin S. Wozonig, H.C. Buch, Najem Wali, Mila Haugová, Ilse Aichinger, Luljeta Lleshanaku, Norbert Lange, Luca Manuel Kieser, Kathrin Vieregg, Wolfgang Straub, Frédéric Pajak, Mary Ruefle, Gisela Trahms, Xaver Bayer, Tina Almut Schmidt, Teresa Präauer.

Umfang: 76 Seiten
Format: PDF
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Beschreibung

INHALTE & ZITATE

Unheimlicher Lobpreis
Clemens J. Setz über Kafkas gesammelte Zeichnungen

„So lernen wir etwa, dass Kafka bestimmte Turnübungen machte und dass er „gegen den Impfzwang“ gewesen sei …“

„Es wird endlos weit in diesen an sich so interessanten Menschen hineingezoomt – bis er überhaupt nicht mehr interessant ist.“

„Die Kafka-Literatur hat ihn von einem Dichter in einen Prominenten verwandelt, von dem selbst der Abfall wertvoll ist.“


Farbe bekennen
Wie Anna Kim zur Schriftsteller:in of Colour mutierte

„Als Kind gehörte ich zu den Exoten unter den Ausländern, etliche Jahre später wurde ich zu einer Person mit Migrationshintergrund, und nun sollte ich eine Farbige sein?“

„Das Konzept honorary white – bei uns nennt es sich Mustermigranten und gut integriert und meint doch bloß assimiliert – täuscht nicht bloß die Empfänger.“


Wortkunst statt Belletristik
Ist das Erbe der Avantgarden zu retten? Von Felix Philipp Ingold

„Das Interesse an Sprachform und -qualität literarischer Texte ist bei Autoren, Kritikern, Lesern gleichermaßen gering.“

„Bekanntlich hat es sogenannte Unsinnspoesie auch früher schon gegeben, allerdings nur als Personalstil, nicht als Gruppen- oder Epochenstil, und Autoren entsprechender Texte galten gemeinhin als Dilettanten.“


Germanophilie oder Wahlverwandtschaft?
H. C. Buch über Madame de Staël und Goethe

„Gemeint ist das linke Klischee, demzufolge die Deutschen keine Revolution zustande brachten, weil das Betreten des Rasens verboten war.“

„Die Einsicht, dass das ästhetisch Schöne und das moralisch Gute zwei Seiten derselben Sache sind, gehört zum Kerngehalt des deutschen Idealismus.“


Sein wildestes Buch
Norbert Gstrein über Thomas Manns Doktor Faustus 

Doktor Faustus ist die Selbstbefragung eines Künstlers, der abwägt, wie viel Kälte es braucht, um die für das Werk notwendige Hitze zu erzeugen.“

„Mann ist besorgt, dass neben Joyces exzentrischem Avantgardismus sein Werk wie flauer Traditionalismus wirken müsse.“


Kommentar zum Text meines Lebens
Von Alexander Kluge

„Alle Zuhörer würden davonlaufen, finge einer an, gründlich sein Leben zu erzählen.“

„Ich bin ein Sohn. Aus der Rippe meiner Mutter Alice. Mit den Zellen ihres Körpers sind alle meine Körperzellen abgestimmt und einverstanden.“

„Ich gehöre nicht mir. Etwas in mir hört auf fremde Stimmen. Es wäre arrogant, von Ich oder Mir zu sprechen. Es verhält sich vermutlich auch nicht so, dass ich auf fremde Stimmen höre, sondern es sind fremde Stimmen in mir, die um ihre Vorherrschaft in meinem Text ringen.“

„Viel Verhandlung nötig. Bei Gefahr eines Bürgerkriegs in mir schaffe ich erst unter Mühen das Ich des Erzählers“.

„Ein Brocken Rindfleisch und er wäre mit Jesus versöhnt.“


Begegnungen in der Autofiktion VII
Jan Wilm trifft Werner Herzog

„Nur durch die Bereitschaft zu Täuschung und Lüge besitzt Fiktion an Wert. Fiktion ohne Lüge ist wie Suppe ohne Salz.“

Herzog sprach weiter: „Gegenwart ist eine Fiktion, die wir uns selber aufbauen, und die Fiktion ist evident.“


Reisen in das Erzählen
Von Najem Wali

„Geschichten sind ein Weg, den Schmerz und die Sehnsucht nach dem Tod zu überwinden.“

„Träume kann man leicht über Grenzen schmuggeln, egal, aus welchem Land man sich auf den Weg macht.“

„2016 war es für mich aufwühlend zu sehen, wie sich die Geschichte scheinbar wiederholt.“


Chemie
Luca Manuel Kiesers Siegertext beim FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb Wortlaut

„Du wirst immer böser werden, Seeungeheuer wachsen beim Erzählen.“

„Du bist nicht fort, sonst könntest du dich das ja nicht fragen. Aber so richtig da bist du auch nicht.“


„sehr schluderig und flüchtig“
Hans Weigel: der „Förderer“ als Schriftsteller

„Hans Weigels Stück Barabbas ist eine gemütliche Spießer-Kritik und zugleich eine moralische Entlastung für alle Zeit und damit auch für die Gegenwart.“

„Weigel entschlüsselte in der Neuausgabe der Unvollendeten Symphonie die Ich-Erzählerin als Ingeborg Bachmann.“


Neulich
Andreas Maier liest Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse und findet darin die Gegenwart prägnant beschrieben.

„Für spätere Zeiten postuliert Freud vor genau hundert Jahren, dass es dermaleinst die Wissenschaften sein könnten, um deren willen Menschen ausgeschlossen, gestraft und gegängelt werden könnten wie weiland von der Inquisition.“


Cui bono
Kathrin Viereggs Siegertext beim open mike 2021

„Du denkst, du bist ein Planet, und dann bist du es nicht mehr.“


Die Gespenster kitzeln
Von Frédéric Pajak

„Das Merkwürdigste an dieser Übung ist, dass die Wahrheit keine Rolle spielt. Sie unterliegt dem Stärkeren: dem Erzählrausch.“

„Lebt das Wesen noch, das alles vergessen hat?“

„Da ich der grosse Bruder war, wurde ich zum unrechtmässigen Ersatz für den verschwundenen Vater. Ich werde immer der designierte Schuldige sein.“


Mein Privatbesitz
Von Mary Ruefle

„Das Schrumpfen eines Kopfes dauert etwa eine Woche, und der Künstler arbeitet täglich daran.“

„Deshalb war es kein Wunder, dass ich mich dort im Kongo Museum in einen Schrumpfkopf
verliebte.“

„Ich weiß nicht,wann man angefangen hat, Psychologen und Psychiater als shrinks, als Schrumpfer, zu bezeichnen, doch die Bezeichnung sitzt.“

„Ich war Mitte vierzig und hielt mich für hochintelligent.Meine Intelligenz beruhte zum großen Teil auf meiner Unkenntnis über den Grad meiner eigentlichen Unwissenheit.“

„Der Besitz des eigenen Kopfes weckt den Wunsch nach dem Kopf eines anderen, allein aus dem völlig natürlichen Wunsch nach Liebe und Vereinigung.“

„Ich bin nicht mal sicher, dass mir mein eigener Kopf gehört.“

„Ich habe oft gedacht, Gott brauche Gebete, um daran erinnert zu werden, dass er wichtig ist und noch eine Rolle spielt.“

„Ich schäme mich, die Babyköpfe als meinen Privatbesitz zu betrachten, aber so ist es.“

„Ich meine jetzt, dass ich an jenem Tag sterben wollte. Warum sonst hätte ich die Schule schwänzen, allein meiner Wege gehen und einen Freund unter den Toten finden sollen?“


Differenz statt Gleichheit
Eine aktualisierte Porträtsammlung internationaler Autorinnen spiegelt die jüngsten Verschiebungen im Geschlechterdiskurs. Gisela Trahms über 100 Autorinnen in Porträts

„Die meisten neu hinzugekommenen Autorinnen verursachen einen stetigen Lärm, der ihren Bekanntheitsgrad erhöht.“


Verführer und Verführter
Xaver Bayer über Henri-Pierre Roché

„Henri-Pierre Roché war in der Kunstszene bestens vernetzt, Picasso hätte sein Buch illustrieren sollen.“

„Bekannt wurde Roché erst nach seinem Tod durch Truffauts Verfilmung seines Romans Jules und Jim.


Schleyers Fotojournal


Die Bewohner von Château Talbot
Von Arno Geiger


Lyrik-Logbuch
Eintragungen zu Gedichten von Mila Haugová, Ilse Aichinger, Luljeta Lleshanaku, Norbert Lange – von Michael Braun und Paul-Henri Campbell


Die Hölle als Schoß der Welt
Lektürenotizen von Almut Tina Schmidt

„Unsere machtvolle Zivilisation zielt auf die Erzeugung möglichst unhaltbarer Produkte in möglichst haltbarer Verpackung.“


Präauer streamt
Von Teresa Präauer

„Sie tanzt durch die Gänge und trampelt über die Feststiege und kümmert sich nicht um Schönheit und Unversehrtheit.“

„Mein Inneres ist dieser Tanz. Mein Äußeres ist unbewegt.“