Unter der Drachenwand

Aus dem neuen Roman von Arno Geiger.

Online seit: 12.10.2017

Im Himmel, ganz oben, konnte ich einige ziehende Wolken erkennen, und da begriff ich, ich hatte überlebt. / Später stellte ich fest, dass ich doppelt sah. Alle Knochen taten mir weh. Am nächsten Tag Rippfellreizung, zum Glück gut überstanden. Doch auf dem rechten Auge sah ich weiterhin doppelt, und der Geruchssinn war weg.

So hatte mich der Krieg auch diesmal nur zur Seite geschleudert. Im ersten Moment war mir gewesen, als würde ich von dem Krachen verschluckt und von der ohnehin alles verschluckenden Steppe und den ohnehin alles verschluckenden Flüssen, an diesem groben Knie des Dnjepr. Unter meinem rechten Schlüsselbein lief das Blut in leuchtenden Bächen heraus, ich schaute hin, das Herz ist eine leistungsfähige Pumpe, und es wälzte mein Blut jetzt nicht mehr in meinem Körper im Kreis, sondern pumpte es aus mir heraus, bum, bum. In Todesangst rannte ich zum Sanitätsoffizier, der die Wunde tamponierte und mich notdürftig verband. Ich schaute zu, in staunendem Glück, dass ich noch atmete. / Ein Granatsplitter hatte die rechte Wange verletzt, äußerlich wenig zu sehen, ein weiterer Splitter steckte im rechten Oberschenkel, schmerzhaft, und ein dritter Splitter hatte unter dem Schlüsselbein ein größeres Gefäß verletzt, Hemd, Rock und Hose waren blutgetränkt.

[…]

Dieser Text ist nur in der Ausgabe 3/2017 verfügbar.

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