Textverarbeitung: Ulrike Draesner

Prägende Lektüren deutschsprachiger Autorinnen und Autoren – Teil 8

Online seit: 30. Mai 2024

Texte werden nicht nur, aber auch aus Texten gemacht. Was einer gelesen hat, beeinflusst, wie er schreibt, möglicherweise sogar, wie er lebt: Lesen, Schreiben, Leben sind Formen von Textverarbeitung. VOLLTEXT hat deutschsprachige Autorinnen und Autoren um Listen jener Bücher gebeten, die ihr Leben und Schreiben geprägt haben. Jede Liste kommt einem rasch hingeworfenen, skizzenhaften Selbstporträt als Leser beziehungsweise Leserin gleich. In der Zusammenschau machen die gesammelten Leselisten das intertextuelle Hintergrundrauschen der Gegenwartsliteratur erahnbar.

Heinrich von Kleist: beweglich, verknotet, anarchisch: der Satzbau. Beim Lesen springt etwas in mir mit, es geht in die Beine und den Kopf und blitzt. Donner und Komik lernt man hier atmen am Satz, freut sich, wie die Geschichte rollt (aus den Figuren hervor – und sie und die Leserin überrascht). Wie einer von Lieben, Drängen, Grenzverletzung, Absolutheit, von Einzelheit und Verknotung spricht. Familien? Kleistexplosion.

Virginia Woolf: Und Frauen schreiben also auch? Schreiben so, dass der Strom der Wörter unter den Wörtern hörbar wird. Wie der Tag sich dehnt und Gegenwart Vergangenheit/Vergangenheit Gegenwart wird. Wie lebendig eine Stadt kollektiv erzählt sein kann. Wie Zeit, das Material