In der Supernasen-Tetralogie der frühen Achtzigerjahre konnte Thomas Gottschalk sein Talent zum Wortwitz, zum Kalauer, zur Zote bereits unter Beweis stellen. Er schaffte als Darsteller im deutschen Film den für das Genre der Boulevard- und Verwechslungskomödie typischen Grenzgang: frivol, aber nicht anstößig, karnevalesk, aber nicht systemgefährdend. An der Seite von Mike Krüger, der anderen Supernase, tänzelte und stolperte Tommy durch jeden flotten Plot. Er quittierte Verwechslungen, Explosionen, Missgeschicke mit einem grundsympathischen Lächeln, getragen von der Gewissheit darüber, dass die Götter ihn lieben, dass die Welt nicht viel kostet, dass morgen wieder ein neuer Tag ist. Unterbrochen wurde sein Plappern nur, wenn es ein Küsschen gab von der Sekretärin, die eigentlich die Tochter des zigarrenrauchenden Chefs war, der eigentlich seine Gattin, die gerne Golf spielte, des Ehebruchs überführen wollte und so weiter.
Wenn ich es nicht packe, kann ich nicht davon ausgehen, dass meine Zuhörer das packen, also bin ich auf deren Seite und nicht auf der Seite der FAZ.
Die Produzenten und Regisseure hinter den Supernasen waren ihrerseits findige Supernasen, die den richtigen Riecher hatten für den Erfolg an der Kinokasse. Karl Spiehs von der Produktionsfirma Lisa Film war sich nie zu schade für einen aufgelegten Endreim im Titel, Tante Trude aus Buxtehude oder Was treibt die Maus im Badehaus?, nie für eine trällernde Alliteration, Trubel um Trixie oder Wenn Mädchen zum Manöver blasen, nie für eine zupackende Einladung, Geh, zieh dein Dirndl aus, und nie für eine knuffend-feixende Ermahnung, Rudi, benimm dich!. Auch vom Zugriff auf literarische Vorlagen ließ der Produzent sich nicht abhalten, Die tolldreisten Geschichten – nach Honoré de Balzac oder Josefine Mutzenbacher, Teil eins und zwei, sind Belege dieser seiner Bemühungen.
Auch den Drehbuchautoren saß der Schalk stets schwer im Nacken. Im Urlaubsort „Bad Spänzer“ mussten die Supernasen ermitteln, beim Wirten eine gepflegte „Hopfenkaltschale“ trinken, in Frauenkleidern Aerobic turnen, die Stimme verstellen, Dialekte und Akzente nachahmen. Sie wurden dabei geohrfeigt, hinausgeworfen, verschmäht und verführt. Auch einmal eingeseift und gewaschen von hawaiianischen Masseusen. Die Kamera spart aus, was der Ton gleichzeitig überdeutlich macht, Aloha und Hollodario. In den Worten vom „Piratensender Powerplay“: „Den Knüppel, du Krüppel!“
Über die Mediathek des Bayerischen Rundfunks kann man sich nun die ersten zwei Folgen des neuen TV-Formats Gottschalk liest? ansehen. Karli Spiehs – er erblickte 1931 in Blindendorf-Dunkelstein das Licht der Welt – hat, nach weiteren Filmen mit Thomas Gottschalk, wie Zwei Nasen tanken Super, seine Wurstfinger diesmal nicht im Spiel gehabt. Gottschalk liest? hat keinen Reim im Titel, es hat kein Akkusativobjekt und keine Auslassungspunkte. Bloß ein vorauseilend zweifelndes Fragezeichen steht da, das der Moderator im Vorspann erst mit Kreide auf die Tafel schreiben muss. Das ist nicht die selbstbewusste Interpunktion, die in Was treibt die Maus im Badehaus? noch rhetorisch-suggestiv hinterhergeschoben wurde. Als wüssten wir es nicht alle, was die Maus treibt im Badehaus! Und so scheint ihm eine Laus über die Leber gelaufen zu sein, die ihn auch noch vor sich hertreibt und durch die Sendung, und er findet die Sprache nicht für das, was er gelesen hat und sagen möchte.
Dabei startete Gottschalk, jedenfalls in einem Trailer des Fernsehsenders, noch mit kämpferischer Attitüde: „Ich bin auch arrogant genug, zu sagen, wenn ich es nicht mehr begreife – ich bin immerhin ein Mensch, der vor vielen Jahren mit Mühe sein Abitur geschafft hat, der ein bisschen Germanistik studiert hat, und ich bin interessiert –, und wenn ich es nicht packe, kann ich nicht davon ausgehen, dass meine Zuhörer das packen, also bin ich auf deren Seite und nicht auf Seite der FAZ, die eine andere Form von Literatur, ein bisschen, finde ich oft, im Elfenbeinturm pflegt.“
Doch irgendwann vor Beginn dieser Sendereihe scheint ihn der Mut, es zu packen, verlassen zu haben. Denn den hatte er noch, als er vor ein oder zwei Jahren im Literarischen Quartett von seiner Lektüre von Handkes Obstdiebin zu berichten wusste.
Das Fragezeichen von Gottschalk liest? setzt sich damit ans Ende von weiteren Sätzen: Wasch soll das? Wo ist die alte Supernase geblieben? Die Frechheit und die Tollpatschigkeit, die am Ende immer siegt? Wo die Anspielungen, die Zitate? O Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! Wieso denn jetzt scheitern – so ganz ohne Not? Grüner wird’s nicht! Ich verhummer hier.
Volle Kanne Volltext! Diese Kolumne ist seit dem Jahr 2015 dem Serienschauen und Videos-Klicken im Internet gewidmet.