Deutschland hat nicht aufgepasst und ist abermals in die Fänge einer rassistisch-nationalistischen Partei geraten. Wir befinden uns in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der „die größte Wüste Deutschlands“ in Brandenburg zu suchen ist und in Berlin eine gewalttätige Bürgerwehr für Ordnung sorgt.
Lichtblau zeigt diese Gesellschaft vor dem Hintergrund dreier Figuren, die alle so sehr in die Probleme ihres Alltags verstrickt sind, dass sie die politische Sphäre kaum wahrnehmen. Charlotte, die für die Bürgerwehr als Scharfschützin arbeitet, und ihr Sohn Charlie haben sich in einem engen Korsett aus Ritualen, Zwängen und Nöten eingerichtet. Unter Druck gerät das System durch Charlies Emanzipationsbestrebungen, die sich auch in seinem Hadern mit der Rolle seiner Mutter im Machtapparat ausdrücken. Auf der anderen Seite steht Burschi, eine junge Frau aus der bayerischen Provinz, die in Berlin für ein altes Ehepaar als Gesellschafterin arbeitet. Eine mysteriöse Frau namens Johanna verdreht ihr den Kopf und weckt allmählich ihren Widerstandsgeist.
Die Politik tritt ganz plötzlich in die Geschichte ein. Das Hip-Hop-Label, in dem Charlie ein Praktikum absolviert, wird von einer Frau vom Amt für Staatsmoral überprüft. Ihre vorsintflutlichen Überwachungsmethoden – sie sitzt mit dem Klemmbrett in den Büroräumen des Labels, um die Gespräche zu verfolgen und durchpflügt händisch die Festplatten der vorhandenen Rechner – passt in das Bild der insgesamt überaus dilettantisch auftretenden Machthaber. So werden etwa die Angehörigen der Bürgerwehr in 24-tägigen Kurzlehrgängen geschult und bei der Silvesterparty der Partei funktioniert nicht einmal die Organisation des Caterings.
Rechte als lächerliche Figuren zu zeigen, ist ja keine ganz neue Disziplin. Leider unterscheiden sich die Späße der Laura Lichtblau aber wenig von dem, was beispielsweise in der heute Show geboten wird. So lässt sie den Ausfall der Lieferung von Kräuterschnaps und Sülze durch den Caterer „Hans Wurst“ mit dem Ausspruch des Parteivorsitzenden bedenken, es habe sich hier „beinahe Verrat am Vaterland“ ereignet. Mit so platten Witzen bekommt man die Gefahr der rechten Ideologen nicht in den Griff und überzeugt niemanden, der nicht längst überzeugt ist.
In den Idiomen der drei Hauptfiguren, aus deren Perspektiven die Kapitel abwechselnd erzählt werden, wird mit wenig subtilen Mitteln Variation erzeugt. Allen dreien ist ein aufgekratzter Plauderton zu eigen, in dem nur die Verwendung von Lieblingswörtern Unterschiede anzeigt (Charlie: „exorbitant“; Charlotte: „zielführend; Burschi „deppert“). Hinzu kommen schiefe Bilder („Jakob wird sich in meinem Kopf halten wie Ruß“) und die ausufernde Verwendung von Füllwörtern („irgendwie“, „beinahe“, „halt“, „ungut“ etc.), die die zum Ausdruck gebrachten Gedanken verunklaren. Der ganze Roman ist durch die Unschärfe der Wahrnehmungen und Formulierungen in ein diffuses Licht getaucht. Die Lektüre wird dadurch zunehmend verdrießlich, weil fehlende Prägnanz auf Dauer enerviert.
Dass Laura Lichtblaus Interesse ein primär pädagogisches war, erweist sich in Burschis suggestiven Überlegungen am Ende des Romans über das verpasste rechtzeitige Einschreiten gegen die rechten Umtriebe. Um eine entsprechende Wirkung zu erzielen, müssten die geschilderten Ereignisse aber realistischer und die Persönlichkeiten ihrer Figuren glaubwürdiger sein.
Es gibt ihn ja, den guten politischen Roman. In den letzten Jahren etwa von Michel Houellebecq, der in Unterwerfung auf die Erschöpfungszustände der französischen Gesellschaft aufmerksam machte oder Eckhart Nickels Hysteria, in dem das Weltbild übereifriger Ökos durch Überspitzung vorgeführt wurde. Und auch die Romane, die pädagogisch wirksam vor der Rückkehr der Rechten in Deutschland warnen, sind längst geschrieben worden – z.B. der Jugendroman Der Schlund von Gudrun Pausewang. Ihnen gegenüber wirkt Schwarzpulver unterkomplex.
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