Bei einem kleinen privaten Künstlerfest in der Hauptstadt, zu dem ich liebenswürdigerweise kurzfristig eingeladen worden war, begann irgendwann ein mit einem grünlich-grauen, äußerst kratzig wirkenden Tweedanzug und handgenähten Schuhen wie sein eigener Urgroßvater bekleideter Junge im Vorschulalter wortlos gegen den Tisch zu treten, an dem eine Runde einander nicht näher bekannter Erwachsener zusammensaß. Er trat und trat, und da die ohnehin schon ein wenig zähe Unterhaltung sofort erstorben war und niemand auf den Jungen reagierte, forderte ich ihn kurzerhand auf, den Unsinn sein zu lassen und wieder zu den anderen Kindern zu gehen. Worauf er ganz zufrieden verschwand, die Augenpaare der beiden Ältesten am Tisch sich jedoch blitzartig mir zuwandten und mich fixierten, als hätte ich soeben mein Lieblingsrezept für geschmälzte Katzenbabys preisgegeben.
Ganz abgesehen davon, dass ich dies nie im Leben tun würde, zeigte mir meine geradezu talibaneske Reaktion auf ein unschuldiges Kind im Grunde nichts weiter, als dass mir wieder einmal der angemessene Konversationsstoff ausgegangen war, wie ich mir eingestehen musste, und wie mir wohl jeder in der Runde bereitwillig hätte bestätigen mögen, der noch nie in die Verlegenheit geraten war, eine der nach ganz zwanglosen sonnabendlichen Weinverkostungen stets mit der Montagspost zugestellten, in mustergültigem Deutsch formulierten Unterlassungsklageandrohungen meines Anwalts in seinem Briefkasten vorzufinden.
Ja, mir, dem Partysalafisten, ging der Stoff aus. Einmal zu oft schon hatte ich mich in diesen Kreisen über Menschen lustig gemacht, die Musil auf der zweiten Silbe betonen und Hofmannsthal mit einem langen ‚o‘ aussprechen, um das Gespräch dann mit gespielter Arglosigkeit und zur sichtlich großen Erleichterung der anderen Gäste auf den neuen Ikeakatalog zu lenken, nur und ein vorab von mir bestimmtes Opfer in der Runde auf das Perfideste in die Köttbullarfalle tappen zu lassen.
Auch wäre es mir, gemessen an der zu erwartenden Resonanz, zu umständlich gewesen, noch einmal darauf hinzuweisen, wie verschwindend gering unter den Mördern in Deutschland die Zahl bekennender Free Jazz-Hörer sei, ja, meines Wissen habe überhaupt noch nie ein leidenschaftlicher deutscher Free Jazz-Hörer einen Mord begangen, Free Jazz-Hörer gälten, und zwar weltweit, insgesamt als äußerst friedfertige Vertreter unserer Spezies, wohingegen der Anteil der Deutschrock-, Stones- und Springsteenfans unter den deutschen Mördern mit achtundvierzig Prozent ungefähr dem der Anhänger des volkstümlichen Schlagers entspreche, wobei an Hundert fehlende Prozent auf jene Menschen entfielen, die Musik grundsätzlich ablehnten und womöglich tragischerweise eben darum erst zu Mördern hätten werden müssen. Meine bisherigen Versuche, mit einer um alle Denkverbote bereinigten Diskussion über Gewaltprävention an genau diesem heiklen Punkt anzusetzen, waren in der Vergangenheit jedesmal im Sande verlaufen.
Dabei hätte ich mich, einen erneuten Vorstoß wagend, an diesem Abend auf Zahlen und Fakten einer soeben durch die Medien gegangenen Studie stützen können. Den aberwitzigen Untersuchungsergebnissen des unter Leitung des Trägers der Theodor Fuendeling-Plakette des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Landesverband Niedersachsen-Bremen sowie aus Funk und Fernsehen bekannten Professors Christian Pfeiffer arbeitenden Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e. V. zufolge nämlich versuchten Mitglieder wie Sympathisanten des Helene-Fischer-Fanclubs („Atemlos durch die Nacht“) ihre Lebenspartner immer noch mit Hilfe des heutzutage jeden Dorfpolizisten ins Blitzkoma versetzenden ‚Beim Zähneputzen im Badezimmer ausgerutscht‘-Tricks ins Jenseits zu befördern, während die generell als geduldig geltenden Claptonhörer („Lay Down Sally“) dazu neigten, ihren gutgläubigen Gattinnen über Jahre hinweg mit dem Demetergütesiegel versehene Chlorhühnchenbrust zu servieren.
Die von jeher um eine lebendige Verbindung von Tradition und Moderne bemühten Bayreuthbesucher („Weiche, Wotan, weiche“) jedoch waren,
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