Dicker Mann auf der Suche nach dem Ausnahmezustand

Mit Augen zu und durch liegt der dritte Band von Manu Larcenets unheimlicher Comic-Serie Blast in deutscher Sprache vor.

Online seit: 27. August 2020
Manu Larcenet – Blast
Wer in Manu Larcenets deformierten Männerwelten Opfer und wer Täter ist, bleibt oft unklar. Illustration: © Manu Larcenet

Polza Mancini wird verhört. Die ihm gegenübersitzenden Polizisten ekeln sich sichtlich vor dem menschlichen Koloss, den sie zu einem Geständnis bewegen wollen. Sein jüngstes Opfer ist die geheimnisvolle Carole Oudinot, die im künstlichen Koma gehalten wird und (zu Beginn des zweiten Bands der Reihe) verstirbt, während Polza seine erschreckende, traurige Geschichte Seite für Seite vor den skeptischen Ermittlern ausbreitet. Es ist dies ein Geständnis auf Umwegen, auf schlingernden Pfaden, die immer weiter ins Dunkel führen. Ob es die Wahrheit ist, die der durchaus listige Verdächtige hier preisgibt, bleibt trotz des von den Polizisten regelmäßig durchgeführten Abgleichs mit ihren Unterlagen weiterhin offen: „Wenn Sie verstehen wollen … dann müssen Sie durchmachen, was ich durchgemacht habe.“

In Grautönen schildert Larcenet den Abstieg Polzas, der sich auf die selbstzerstörerische Suche nach den titelspendenden „Blasts“ begibt, diesen grellbunten Momenten der Befreiung, in denen er sich (in jeder Hinsicht) „leicht“ fühlen kann. Alle zivilisatorischen Normen und gesellschaftlichen Verpflichtungen des zwielichtigen Protagonisten treten hinter diese gesuchten Ausnahmezustände zurück, die zwischen Epiphanie, temporärer Paradiesschau und durch wenig kontrollierbare Umstände induziertem High angesiedelt sind.

Düstere Odyssee

Der wenig vertrauenswürdige Erzähler Polza spart kein Detail dieser gewalterfüllten Abstiegsgeschichte aus, die zwischen dem Verhör und der Darstellung seiner Schilderung wechselt. Der Schriftsteller und Ehemann lässt auf seiner düsteren Odyssee beinahe alles hinter sich: Einzig die ihn plagenden Erinnerungen an einen Bruder, dessen Unfalltod er verursacht hat, und der Schatten des Vaters, der elend an einer Krebserkrankung verstorben ist, begleiten ihn gespensterhaft bei seinem Gang in die Wildnis, dessen erklärtes Ziel die Osterinseln sein sollen. Diese angebliche Reiserichtung mutet nur im ersten Moment unschlüssig an – wenn dann aber die riesigen, unverwechselbaren Steinstatuen, die sogenannten Moai, auftauchen und der tote Vater sich auch in seiner Gestaltung als übermächtiger Vogelmann