Literatur von Unbefugten

Mit Futur II zeigt die Gruppe Ja, Panik, wie ein gegenwartsrelevantes Schreiben jenseits der gängigen Literatur aussehen kann. Von Uwe Schütte.

Online seit: 11. Mai 2018
Das Kollektiv als Autor: Die Gruppe Ja, Panik
Das Kollektiv als Autor: Die Gruppe Ja, Panik

Wir steigen aus
Wir steigen ein
Denn wer zu lange Gespenst spielt
Wird bald selber eines sein
(Andreas Spechtl/ Ja, Panik)

Eigentlich wissen es alle, aber dennoch sollte man es nochmals aussprechen: Die deutschsprachige Gegenwartsliteratur – in weiten Teilen ist sie ein Trauerspiel. Langweiligkeit, Klischees, Feigheit und manches mehr stechen einem in die Augen, wenn man die Verlagsvorschauen durchblättert. Dafür verantwortlich sind viele Gründe (Digitalisierung des Gutenberguniversums, abnehmende Literarisierung, die Einheitsware der Institutszöglinge aus Hildesheim und Leipzig etc.), vor allem aber eines: das Ausbleiben lesenswerter, aufregender, kluger Bücher, die eine Axt für das gefrorene Meer in uns wären.

Nichtsdestotrotz erscheinen jede Saison natürlich gute bis großartige Bücher, nur entgehen diese den meisten Lesern, weil sie unterhalb des Radars der etablierten Rezensionskanäle des Literaturfeuilletons bleiben. Ein veritables Beispiel dafür liefert das im Verbrecher Verlag erschienene Buch Futur II, als dessen Verfasser ein als „Die Gruppe Ja, Panik“ firmierendes Kollektivsubjekt verantwortlich zeichnet. Wer Ahnung von guter Musik hat, weiß Bescheid: Es ist die vom Burgenland via Wien nach Berlin übersiedelte Rockband Ja, Panik, die in dem Buch auf ihre nunmehr zehnjährige Existenz zurückblickt.

Im Verlauf dieser Dekade hat sich die Gruppe konsequent von Album zu Album zu einer der erstaunlichsten Bands der deutschsprachigen Musikszene entwickelt. Dafür verantwortlich ist nicht nur die Musik, wie zuletzt auf den Meilensteinen DMD KIU LIDT (Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit) und Libertatia nachzuhören, sondern ebenso die multilingualen, anspielungsreichen Texte. Der Literaturwissenschaftler Christoph Jürgensen etwa befindet, dass die Gruppe „sich durch virtuose Bezugnahmen auf das enorme Archiv der populären Kultur als bemerkenswerteste Nachfolger solcher Diskursrockbands wie Blumfeld und Tocotronic“ erweisen.

Die Gruppe Ja, Panik umfasst, neben Sänger und Songschreiber Andreas Spechtl, Stefan Pabst am Bass und Sebastian Janata an den Drums, sowie die unlängst dazugekommene Laura Landergott an den Keyboards. Wie bei einem Konzert trägt auch im Buch jedes Mitglied einen unverzichtbaren Teil zum Endresultat bei: Landergott interviewt alte Weggefährten der Band, Pabst und Janata versuchen im Bandarchiv interessante Dokumente aus der Anfangsphase auszugraben, während Frontmann Spechtl sich einen Monat lang in eine Stadt am Rande Europas verkriecht, um dort nicht nur über die Geschichte von Ja, Panik, sondern ebenso über sein Leben als Künstler sowie die gegenwärtig herrschende Ordnung der sozialen, kulturellen und politischen Dinge nachzudenken.

Die Ergebnisse dieser unterschiedlichen Beiträge tauschen die Bandmitglieder per E-Mail gegenseitig aus, woraus sich das Buch als ein quasi modernisierter Briefroman dann als Collage der Textbotschaften und angehängten Dokumente ergibt. Ein durchaus ambitiöses Konzept also, das dezidiert von den Schablonen abweicht, aus denen Musikerautobiografien und Bandgeschichten ansonsten gestanzt sind; aufgrund der experimentellen Anlage und dem An-spruch auf Authentizität ist es freilich auch anfällig für ein klägliches Scheitern.

Gerade wenn man es nicht darauf anlegt, als regulärer Schriftsteller zu reüssieren, kann man zu  bemerkenswerten Schreibweisen finden.

Diese Sorge wird von Bassist Pabst eingangs angesprochen: Wenn das Projekt ins Stocken gerät, „dann ist das auch ein teil vom ergebnis“, das dokumentiert werden muss, denn sollte eine nachträgliche editorische Intervention stattfinden, „dann könntma ja gleich alles faken“. Dass diese Bedenken gerechtfertigt sind, dokumentiert Futur II auf eine zunehmend entblößende Weise: Was Pabst bei seiner