Dr. Roseis Welt-Impromptus

Einige Überlegungen zu und anhand Peter Roseis Die große Straße. Reiseaufzeichnungen. Von Kurt Neumann

Online seit: 3. August 2020
Peter Rosei © Gabriela Brandenstein
Peter Rosei: Ding um Ding erzählt – das ist der Grundrhythmus seiner Literatur. Foto: Gabriela Brandenstein

Zugegeben: Auf den ersten Blick scheint es wichtigere und spannendere Bücher zu geben als eine mit dem großartigen Understatement der Unbestimmtheit angekündigte Sammlung von „Reiseaufzeichnungen“. Dass es sich dabei um literarische Kunststücke und keineswegs um dienstleistungsartige Beiläufigkeiten eines reisenden Gewerbetreibenden handelt, diese „Aufzeichnungen“ also nicht äußeren Anlässen oder eingegangenen Verpflichtungen, sondern der einerseits konstanten, andererseits sich wandelnden inneren Notwendigkeit einer sich nunmehr in rund fünfzig Jahren ausfaltenden schriftstellerischen Laufbahn entsprungen sind, verrät der Verlag nicht, es erschließt sich erst, wenn man das Buch liest.

Weshalb also ein genauer Blick auf Peter Roseis Die große Straße und somit die Lektüre des Buches unbedingt lohnen, soll hier ausgeführt werden.

Der vierte und letzte Block des Sammelbandes umfasst Texte aus dem ersten Jahrzehnt von Roseis schriftstellerischem Schaffen, ab 1972. In den drei vorangehenden Abschnitten, die einmal einen Zeitraum von zwanzig, dann dreißig, dann vierzig Jahren überspannen, finden sich jedoch punktuell direkte Gegenüberstellungen früher(er) und später(er) Prosastücke zu vergleichbaren oder denselben Örtlichkeiten – und die gewähren substanzielle Einsichten in den Werdegang eines Schriftstellers, der nicht zuletzt durch seine regelmäßige Publizistik in den Zeitungsfeuilletons im literarischen Bewusstsein der Zeitgenossenschaft verankert ist.

Mögen diese Entwicklungsaspekte vielleicht wie Spezialthemen für Rosei-Fans anmuten, so enthalten die unterschiedlichen Grundperspektiven der Prosastücke doch ein erstaunliches Erkenntnispotenzial in Hinblick auf verborgene zeitgeschichtliche und ästhetisch-dynamische Zusammenhänge.

Die weltläufige, gleichsam nomadenhafte Grundhaltung junger Schriftsteller in den 1970ern imponiert wie ein Privileg der künstlerischen Freiheitssuche in den allmählich zu wachsendem Wohlstand gelangenden Nachkriegsgesellschaften des Westens. Die Wahrheit ihrer Texte fand sich in einer die Normen der gängigen Weltbeschreibung