Wie man Leichen im Keller verscharrt

Paul-Henri Campbell über die Poesie der Dichterin* Koleka Putuma.

Online seit: 19. Juni 2020
Koleka Putuma © Mawande Sobethwa
Koleka Putuma: Geliebt werden, wie Mandela von weißen Leuten geliebt wird.
Foto: Mawande Sobethwa

Seit einigen Jahren übertreffen einander Kommentatoren mit Aussagen über Südafrika, wonach die ab 1994 in Post-Apartheid geborene „freie Generation“ offenbar Rückschritte mache. Diese junge Generation halte nichts von der Regenbogennation und „verfalle“ zunehmend „wieder“ in identitäres Schwarzweißdenken. Dabei übersehen diese, vornehmlich älteren, gesetzteren Kommentatoren, dass es hierbei weniger um einen „Rückfall“ oder gar „Rückschritt“ hinter ihr wissendes, gelassenes, altes, weißes, buntes Denken geht als um eine Neugewichtung und Neubewertung des Diskurses.

Wenn also die forsche südafrikanische Dichterin Koleka Putuma in einem ihrer Liebesgedichte hart mit Nelson Mandela ins Gericht geht, will sie mehr als eine im Ohrensessel ausgedachte Dekonstruktion einer nationalen Ikone darbieten, sondern – ähnlich wie Greta Thunberg – will sie eine beflissene, bequeme, dämlich wissende, auch selbstgerechte Position grell beleuchten, wonach seit dreißig Jahren das Ende der Apartheid abgefeiert wird, aber für junge Südafrikaner*innen dieselben Ressentiments, Strukturen des Auseinanderhaltens, des Hasses die alltägliche Erfahrung prägen. Koleka Putuma entwirft ihren Nelson Mandela als jene Lichtgestalt, darin sich das hohle Selbstverständnis der Wissenden und Toleranten sonnt: eher Vertröster und Blender als ein Befreier. Die 1993 geborene schwarze Dichterin fordert die historische Wahrnehmung Mandelas heraus, fügt dem südafrikanischen Idol von etwa Barack Obama wütend die Adjektive „betrayal“, „fuckery“, „msunery“ (nach dem Zulu-Schimpfwort für beschissen) hinzu. Mehr noch in „the way that white people hold onto Mendela’s memory“ wird Mandela selbst zur ultimativen Gestalt der Unterdrückung, der Aufrechterhaltung des Status quo.

Mandela lieben

Doch während diese Elemente vielleicht eine Poesie anzudeuten scheinen, in denen die Verse eher vom Breitschwert als mit dem Florett springen, klingen auch subtilere Effekte in jenem Gedicht nach: Es trägt den Titel 1994: A Love Poem – und kreuzt im Mandela-Liebesparadox auf einer politischen Linie einerseits „Und das ist eine der vielen Überreste der Sklaverei: / geliebt zu werden wie Mandela“ und einer Linie der Sehnsucht andererseits: „Ich will jemanden, die mich ansieht / und mich liebt / so wie weiße Leute Mandela ansehen / und lieben“ Lieben, närrisch Lieben aus Blendung, um unterworfen zu bleiben, das Objekt der Liebe als