Es gab viel frühreifen Weltschmerz und postpubertären Lebensekel. Von Liebeslust und Sehnsucht war die Rede, häufiger aber von Beziehungsfrust. Manchmal kam das in zart besaiteter Lyrik daher, manchmal in verbaler Kraftmeierei, manchmal als experimentelles Vortasten und manchmal als epigonales Nachschreiben von Aufgelesenem. Schnodderigkeiten mischten sich mit hoch gestimmten Tönen, realistische Alltagsschilderungen wechselten mit halluzinatorischen Fantasieaufwallungen. Die Palette reichte von einer „Erinnerungsmassakertrilogie“ bis zum Haiku, von schwülen Exotismen bis zur Heimatliebe, von rätselhaften Lautmalereien à la „flürriblürri flürribürri“ bis zu denglischen Neologismen à la „fourth- oder fifthhand-gespakke“. Manchmal schnappte die Metaphernfalle zu, manchmal wurde sie clever umgangen. Und natürlich die chronische Inflation überflüssiger Adjektive …
Ich mache dies abgrundtief peinliche Geständnis auch nur deshalb, weil der Schönen bei der unerhörten Begebenheit, von der hier zu berichten ist, noch eine tragende Rolle zukam.
Aus all diesen Hervorbringungen sprach jedoch Begeisterung fürs Spiel mit der Sprache und ein gewisses ungeklärtes Talent, gravitätischer gesagt: die natürliche Kreativität der Jugend, Prosa und Gedichte so zu schreiben, wie man in jungen Jahren vielleicht auch ein paar schlichte Melodien ins Klavier hämmern oder mit einer Handvoll Akkorden auf der Gitarre Eindruck schinden kann. Es ist in der Tat eine verspätete Art des Kinderspiels, die keine größere Bedeutung hat als der Bau einer Strandburg in den Sommerferien. Geschichten und Gedichte dieser Lebensphase beruhen eher auf einem guten Gedächtnis und sensibler Nachahmungsfähigkeit als auf einer eigenständigen Fantasieleistung. Da jedoch, in einer Wendung Robert Louis Stevensons, das Schreiben für den erwachsenen Autor im Grunde nichts anderes ist als das, was dem Kind das Spielen war, prägen sich in solchen Talentproben doch manchmal auch bereits Spuren aus, die später ein wirkliches Werk konturieren. Denn Talent, sagt Nietzsche streng, ist lediglich Schminke, unter der sich die Falten eines Werks erst noch zu bilden haben. Ob von den jungen Frauen und Männern, die ich vor einigen Jahren als Gast beim Literatur-Labor in Wolfenbüttel kennenlernte, einige den Mut, die Kraft und die Ausdauer aufbringen würden, um den Preis der Runzeln und Falten eines Tages eine wahrhaft literarische Physiognomie anzunehmen, kann ich nicht einschätzen. Ich konnte ihnen ja nicht einmal erklären, wie man „Literatur macht“, sondern lediglich sagen, was mir gemäß meiner sehr subjektiven Meinung und meiner Erfahrung als Autor an ihren Texten verbesserungsfähig schien.
Es ist nämlich so: „Nicht die Dinge, die gelernt werden können, sondern diejenigen, die gelehrt werden, sind nicht interessant.“ Wenn man über diesen etwas kompliziert klingenden Satz einen Moment nachdenkt, entpuppt er sich als ebenso einfache wie sinnvolle Beschreibung dessen, was in Kursen für kreatives Schreiben, in Literaturworkshops und eben auch im Literatur-Labor Wolfenbüttel „interessant“ sein kann und was nicht. Der Satz stammt leider nicht von mir, sondern von
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