Pfingstidyll an der Reichsautobahn

Böse botanisieren mit Karl Heinrich Waggerl. Zu Recht vergessen, Teil VI. Von Paul Jandl

Online seit: 26. Mai 2020
Karl Heinrich Waggerl (c) Otto Müller Verlag
Karl Heinrich Waggerl: Von höherem Willen umtost. Foto: Otto Müller Verlag

Eine bessere Blume hätte sich Karl Heinrich Waggerl gar nicht an den Trachtenjanker heften können. Von einem Vergissmeinnicht handelt ein Gedicht, das wie eine Essenz seiner blutleeren und bodennahen Lyrik ist: „Das Blümchen fragt nicht wie und was, / verschwiegen steht’s im kühlen Gras // wirft sinnend einen Blick ins Blau / und merkt sich alles ganz genau …“ Waggerl war kein Botaniker, sein Poem war eine Allegorie. Eine Allegorie darauf, wie es zugeht zwischen Himmel und Scholle, zwischen Oben und Unten. Naturgemäß ist es besser, man „fragt nicht wie und was“ und steht „verschwiegen“ da. Wenn schon nicht im Gras, dann in den Zeiten.

„Das Vergissmeinnicht“ war das politische Programm des 1897 geborenen Millionendichters, der es wie kein anderer verstanden hat, sich den politischen Gegebenheiten anzupassen. Waggerl war Nazi, der beim „Anschluss“ Österreichs die „hinreißende, die befreiende Kraft einer wahrhaft großen Menschlichkeit“ begrüßte. Die „wahrhaft große Menschlichkeit“ grüßte auch freundlich zurück und machte den Dichter zum Nazibürgermeister seines Wohnortes Wagrain. Wenn Waggerl in seinen Werken etwa das „Pfingstidyll an der Reichsautobahn“ besungen hat, dann war das kein großer Sprung. Er war schon seit den Zwanzigerjahren ideologisch gefestigt. Waggerls Welt war immer eine Welt der schlichten Dichotomien. Geboren in Bad Gastein, aufgewachsen in „fröhlicher Armut“ und in einem Haus nahe dem Wasserfall, hat der spätere Dichter schnell verstanden, dass die Menschen von höherem Willen umtost sind. Sie sind Untermieter einer nicht weiter hinterfragbaren Ewigkeit.

Heroische „Einfalt hinter furchigen Stirnen“ und „das schwere Blut“ der Bauern treten gegen die „Imbezillokraten der Vernunft“ an.

In seiner Jugend wurde Waggerl durch Schopenhauer und den verquer judenfeindlichen jüdischen Philosophen Otto Weininger geprägt, um in den Dreißigerjahren durch Romane wie Brot, Schweres Blut und Mütter in thematischer Vorbildlichkeit den heraufdräuenden Zeiten entgegenzulaufen. Die Natur war das Reine, die Stadt das Verkommene. Eine heroische „Einfalt hinter furchigen Stirnen“ und „das schwere Blut“ der Bauern traten gegen die „Imbezillokraten der Vernunft“ an.

Wer diese „Imbezillokraten“ waren, war klar. Gemeinsam mit dem „internationalen Geschwätz über die höheren Dinge“ verachtete Waggerl „die jüdische Weltauffassung“. Der Dichter aus Wagrain hetzte gegen „volksfremde Einflüsse“ im Allgemeinen und gegen einige Schriftsteller im Besonderen. „Mir graut zu sehr vor den