Winnezeele am 10. Mai
Dreiviertelvier Uhr früh: ich wache in meinem Zimmer mit den roten Fliesen auf. Was für ein Lärm! Die Flugabwehr schießt lauter als sonst – ohne Unterlass. Überall das Dröhnen von Motoren. Maschinengewehre rattern jetzt ganz nah auf den Feldern rund um mich und lassen nicht locker. Das anhaltende Getöse hat heute morgen etwas Ungewöhnliches an sich.
Soll ich aufstehen? Ich liege wirklich gut in diesem Bett, in dieser kühlen Bauernhofkammer. Immerhin – eine halbe Stunde, eine Dreiviertelstunde, und der Lärm hört nicht auf. Und jetzt wird in zweihundert Metern Entfernung geschossen: sicher ist es eines meiner Maschinengewehre im Flugabwehreinsatz. Jetzt scheint eine schöne, ganz neue Sonne. Die Vorstellung, jetzt hinauszugehen, ist nicht gerade beruhigend: Ich habe den Eindruck, dass es überall Flaksplitter regnet.
Meine Leute sind alle mit ihren MGs zugange, aber nichts liegt ihnen ferner als zu schießen. Das Feuer eröffnen nach acht ruhigen Monaten im Quartier. Sie haben dunkel das Gefühl, könnte man meinen, dass dazu ein wenig Feierlichkeit gehört. Sie blicken mich ratlos an. Dabei sieht man Flugzeuge. Eine große dreimotorige Maschine kommt in der Sonne auf uns zu, auf 500 Meter. Ich schieße, ohne allzu genau zu zielen – es ist rein symbolisch. Die Männer scheinen das merkwürdig zu finden, ein wenig unpassend. Ich breche einen Zauber, man könnte meinen, ich öffne dem Unglück Tür und Tor. Jetzt diskutieren alle: Angeblich haben Flugzeuge im Tiefflug unsere Grenzposten beschossen. Die Truppe gerät in Bewegung – das Geknatter nimmt kein Ende. Jeder spürt dunkel, dass die Sache ein gewisses Ausmaß annimmt, das Geschehen gerät in Gang. Dann endlich Stille: Wir beschließen, Kaffee zu trinken. Plötzlich in etwa zehn Kilometern Entfernung eine letzte gewaltige, majestätische Explosion. Wir erfahren später, dass sie in Borre stattfindet, wo wir vor einem Monat einquartiert waren. Ein Bomber ist mitsamt seinen Bomben auf dem Boden explodiert und hat an die Hundert Schaulustige getötet.
Ich gehe rasch in die Kantine – ich ahne Schlimmes voraus, es wird mir eng ums Herz. Jetzt haben wir’s. An der Tür stoße ich auf De K., der ebenfalls auf dem Bauernhof untergebracht ist und aufgeregt sagt: „Herr Leutnant, es ist so weit, sie sind in Belgien einmarschiert.“ Er hat es soeben im Radio gehört. Jetzt also. Etwas in mir klettert eine Stufe höher: besser lässt es sich nicht sagen. Aber es ist sehr vage. Als ob man plötzlich eine dünnere Luft atmete – die Lunge anders arbeitete, und runter kann man nicht mehr.
„Das sind Dinge, die in den Büchern vorkommen.“ Im Krieg vermutlich auch, und zwar ganz einfach, ich bin recht erstaunt darüber.
Wir erhalten sogleich vom Bataillon den Befehl zur Alarmbereitschaft Stufe 3, wo man nicht mehr spaßt. Große Aufregung in der Kantine: eine
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