Mein Leben begann per Lüge und Geheimnis. Sechs Wochen vor Beginn meiner geplanten Zeitrechnung reisten meine Eltern zum letzten Mal vor der Geburt ihres Sohnes in den Urlaub, nach Barcelona. Nicht, weil sie viel mit Land, Region oder Stadt verbanden; einfach nur so, wie man eine Entscheidung trifft, wenn man keine Zeit verlieren will. Und so brachte meine Mutter ihr ungeborenes Kind das erste Mal auf die Reise. Und dort als geborenes Kind auf die Welt.
Um Erzähl- und Erklärnot zu entgehen – es hatte einen bürokratischen Zettelkrieg zwischen den Ländern gegeben, als wären Deutschland und Spanien zwei Partner einer Scheidung –, sagten meine Eltern und bald ich selbst, ich sei in Frankfurt geboren worden. Ganz einfach. In den Hänselzeiten meiner Kindertage funkelte das Geheimnis in mir wie ein Trost. Wie aus Trotz schwieg ich und bewahrte meinen Anfang beharrlich vor den rotznasigen Klein-Schergen der damaligen Zeit, bis zum Schluss.
Ich hatte den Reiz, die Verlockung von etwas verspürt, was ich das „unerlaubte Lesen“ nannte – ein Lesen wie Schuleschwänzen, nein, viel besser, ein Lesen wie Abhauen, wie Untertauchen.
Seit meiner Geburt, an die ich mich nur noch schemenhaft erinnerte, war ich nicht mehr im Herzen von Catalunya gewesen, und heute wusste außer meiner Frau und unseren Töchtern niemand von der ersten Wahrheit meines Lebens. Mein Geburtsort war immer wahrer als mein Name. Heute vertuschte ich das Geheimnis nicht mehr aus Trotz, sondern weil ich nicht wollte, dass es hieß: der deutschsprachige spanische Schriftsteller Jan Wilm. Ich sprach nicht mal Spanisch, geschweige denn Katalanisch. Yo, disculpe, sí – für mehr war meine Zunge zu zäh. Oder zu roh.
Allein, seit einiger Zeit kam ich hier gut damit zurecht. Ich schmeckte die spanischen Worte gerne auf der Zunge. Die fremde Sprache löste mich von der Fremde, die ich mit mir hergeschleppt hatte, das innere Andere. Ich war seit beinahe acht Wochen hier, zwei Mal Vollmond über Barcelona, irrig wie die Nebensonnen. Ich konnte nicht mehr hier sein, doch ich wollte nicht heim.
Ich hatte mich entschieden, durch diese Reise an meinen Ursprungsort eine
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