Autorschaft als Weltenschöpfung

Von der Wirklichkeit möglicher Welten in der Literatur. Von Felix Philipp Ingold

Online seit: 21. Januar 2016

Rund ein halbes Jahrhundert ist vergangen seit der Totsagung der schönen Literatur und dem angeblichen „Verschwinden des Autors“, und noch immer wird Belletristik en masse produziert. Autoren wie Autorinnen pflegen und feiern, professioneller als je zuvor, ihren Auftritt auf der Bühne eines glamourös ausgestatteten „Betriebs“, der weit mehr auf öffentliche Veranstaltungen mit human touch setzt – auf Festivals, kollektive Lesungen, Preisverleihungen, Workshops, Poetikvorlesungen – als auf individuelle Lektüre und unabhängige kritische Rezeption.

Längst vorbei sind die asketischen Zeiten auktorialer Selbstentmächtigung und Anonymisierung, da das Hauptinteresse den Texten galt und die Bücher auch äußerlich – durch sparsame typografische Umschlaggestaltung – primär in ihrer Qualität als Schriftwerke präsentiert wurden. Vorbei die autoritäts- und traditionsfeindliche Auffassung von Literatur als Experiment, als ludistische Kombinatorik oder auch – auf der Gegenseite – als reine Faktografie („Arbeiterliteratur“, „Industriereportage“, Sozialrapport“ u. ä. m.), eine Auffassung, die für den Autor bloß noch die Rolle eines Berichterstatters oder dann eben eines Arrangeurs, gern auch eines „Bastlers“, eines „Handwerkers“ vorsah.

Programmatisch elitäres und programmatisch populäres Literaturverständnis treffen sich in der