An einem See

Von Norbert Gstrein

Online seit: 9. Dezember 2020

Für Wolfgang Matz, nach über fünfundzwanzig Jahren
als Lektor im Hanser Verlag

Sehr polemisch und nur halb ernst gesagt, hat George Steiner mit seinem Reden von der Suhrkamp-Kultur, ohne es zu wissen und ohne es zu wollen, dem Suhrkamp Verlag womöglich großen Schaden zugefügt. Zwar war er kein Deutscher, aber die Deutschen haben es liebend gern hundertfach und tausendfach wiederholt, und man kann fast davon ausgehen, dass es ein Problem gibt, wenn die Deutschen eine Wortzusammensetzung mit „Kultur“ bilden. Statt sich einfach zu erinnern, haben sie eine Erinnerungskultur, statt jemanden willkommen zu heißen, haben sie eine Willkommenskultur, um sich, noch während sie sich erinnern und noch während sie jemanden willkommen heißen, gleichzeitig auf die Schultern zu klopfen, wie gut sie das machen, wahre Erinnerungs- und Willkommenskulturweltmeister, denn Weltmeister sind sie immer, egal, was sie tun. Seit diesem Herbst versuchen sie zudem eine Sexkultur zu haben, und obwohl mir das nicht regelrecht Angst bereitet, weiß ich nicht, was davon zu halten ist, wenn so etwas ausgerechnet von den Deutschen kommen soll. Dazu haben sie eine Leitkultur und eine Leitkulturdebatte und eben auch eine Suhrkamp-Kultur, die man irgendwo zwischen Erinnerungskultur und Leitkultur platzieren könnte oder vielleicht genau auf dem schmalen Grat, auf dem Erinnerungskultur und Leitkultur im besten Sinn ebenso widerspruchsfrei wie paradox in eins fallen.

Seit diesem Herbst versuchen sie zudem eine Sexkultur zu haben, und obwohl mir das nicht regelrecht Angst bereitet, weiß ich nicht, was davon zu halten ist, wenn so etwas ausgerechnet von den Deutschen kommen soll.

Es ist indes nur gut, dass in all den Jahren niemand je von einer Hanser-Kultur gesprochen hat, zum Nutzen und Frommen des Verlags, wenn man so will, obwohl es die natürlich gibt, wenn auch ohne den Überbau aus Hoffärtigkeit und