Weltempfänger Herbst 2020

Die 48. Litprom-Bestenliste mit Büchern aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt.

Online seit: 1. September 2020

1.
Maryse Condé: Das ungeschminkte Leben
Autobiographie. Aus dem Französischen von Beate Thill.
Luchterhand Verlag. 304 Seiten. 22,00 €
Maryse Condé, 1937 auf Guadeloupe geboren, beginnt 1953 mit dem Studium in Paris. Die junge Frau aus der Karibik begeistert sich für die antikoloniale Bewegung. Von Männern wird sie schwer enttäuscht. Sie findet dennoch ihren Weg und lernt dabei sehr unterschiedliche afrikanische Realitäten kennen. Beeindruckend unsentimental und selbstkritisch formuliert, so geht Postkolonialismus. – Andreas Fanizadeh

2.
Roberto Bolaño: Cowboygräber
Drei Erzählungen. Aus dem Spanischen von Luis Ruby, Christian Hansen.
Hanser Verlag. 192 Seiten. 22,00 €
Ein Vexierspiel des lateinamerikanischen Leuchtsterns: Vage Erinnerungen an den Putsch in Chile von 1973; an seine Herkunft; sowie die Utopie eines Dichterlebens in der „surrealistischen Untergrundliga“ in der Kanalisation von Paris. Mit dem schlagartigen Abdriften in wechselnde Erzählweisen und Welten. – Ruthard Stäblein

3.
Dany Laferrière: Ich bin ein japanischer Schriftsteller
Roman. Aus dem Französischen von Beate Thill.
Verlag Das Wunderhorn. 200 Seiten. 22,00 €
Laferrière zerschreddert den Unfug, der mit den Begriffen „Authentizität“ und „Identität“ so getrieben wird. Das ist komisch und sehr intelligent: Warum auch sollte ein karibischer, schwarzer, in Kanada lebender Autor kein japanischer Schriftsteller sein? Grandioses Statement in Romanform. – Thomas Wörtche

4.
P. Sivakami: Die Zeiten ändern sich
Roman. Aus dem Englischen von Thomas Vogel.
Draupadi Verlag. 152 Seiten. 16,00 €
Kathamuthu, ein angesehener „Unberührbarer“, erkennt sein Dorf nicht wieder: Wegen einer Frau begehren die untersten gegen die höheren Kasten auf! Ein kecker Roman über das komplexe Regelwerk der indischen Kasten – erschienen 1989 auf Tamil; 2006 von der Autorin, selbst „Unberührbare“, ins Englische übersetzt. – Claudia Kramatschek

5.
Mieko Kawakami: Brüste und Eier
Roman. Aus dem Japanischen von Katja Busson.
Dumont Verlag. 496 Seiten. 24,00 €
Frauenkörper machen Arbeit. Das erlebt auch Natsuko. Styling, OPs, Kinderwunsch – damit schlägt sich die Tokioterin herum. Und ist damit sehr allein. So rosa der Umschlag ist, die Geschichte ist rau und wird immer rauer. Fluffig erzählte Emanzipationsgeschichte mit scharfen Kanten. – Katharina Borchardt

6.
Hideo Yokoyama: 50
Roman. Aus dem Japanischen von Nora Bartels.
Atrium Verlag. 352 Seiten. 22,00 €
Ein Dogma-„Krimi“ als Behördenroman, die Behörde als Spiegel der Gesellschaft, die Gesellschaft erstarrt in Regeln und Ritualen: Grandios, wie Hideo Yokoyama die Erzählkonventionen des Polizeiromans unterläuft und zugleich doch auch bedient – und wie er dabei aus dem Uneigentlichen die Essenz filtriert. – Ulrich Noller

7.
Amjad Nasser: Wohin kein Regen fällt
Roman. Aus dem Arabischen von Regina Karachouli.
Lenos Verlag. 300 Seiten. 24,80 €
Als er die Hand auf die Schulter des Jungen legt, bleibt die des Mannes im Spiegel unbewegt. 20 Jahre sind vergangen. Der Oppositionelle ist zurück in der Heimatstadt, und alles ist anders geworden: das Regime, die Religiösen, die Opposition, die Jugendliebe. Sogar sein Doppelgänger. – Jörg Plath

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Die Weltempfänger-Bestenliste erscheint vier Mal im Jahr und empfiehlt jeweils sieben Neuerscheinungen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt.

Die Jury: Ilija Trojanow (Vorsitz), Katharina Borchardt, Anita Djafari, Andreas Fanizadeh, Claudia Kramatschek, Ulrich Noller, Jörg Plath, Ruthard Stäblein und Thomas Wörtche

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