Den mit 50.000 Euro dotierten Großen Preis des Deutschen Literaturfonds erhält in diesem Jahr Martina Hefter. Sie wurde von der Jury, bestehend aus Manuela Reichart, Miriam Zeh und Hans Thill, aus dem Kreis der bisher durch den Deutschen Literaturfonds geförderten Stipendiatinnen und Stipendiaten gewählt.
In der Begründung der Jury heißt es:
„Mit ihrem leichtfüßigen Gestus, dem eindrucksvollen Alltagsparlando und ihrem komplexen Formbewusstsein hat die 1965 im Allgäu geborene Martina Hefter eine eigensinnige Sprache gefunden. Ihre Gedichte sind poetisch und zugleich gegenwärtig. So thematisiert der Band In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen unter anderem die Ausbeutung der Natur durch den Menschen, die Zerstörungskraft eines weltweit agierenden Kapitalismus und des bis heute wirkmächtigen Kolonialismus. Dabei sprengen Hefters authentisch-rhythmische Gedichte immer wieder Gattungsgrenzen zum poetischen Essay und zum szenischen Text.
Auch die Grenzen zu Tanz und Bewegung sind fließend. Der Körper spielt nicht nur für die Performerin, sondern auch für die Autorin Martina Hefter eine Rolle. Er kann schweben, aber auch hungern, alt und krank sein. Eindringlich und empathisch erschließt Hefter in ihren Gedichten und Sprechtexten Es könnte auch schön werden das Pflegeheim als literarischen Ort.
Ihr aktueller Roman Hey guten Morgen, wie geht es dir? erzählt vom chronisch kranken Körper. Kunstfertig überblendet Hefter die belastende Pflegeverantwortung, die die freischaffende Künstlerin „Juno“ für ihren Partner „Jupiter“ übernimmt, mit Bildern von antiken Göttern und Planeten. Der Kosmos des Himmelsvaters ist begrenzt, während Juno ihre Bahnen durch die Stadt und das digitale Netz zieht. So gerät nicht nur die Beziehung zwischen Pflegender und Gepflegtem, sondern auch zwischen der alternden Frau und einem Internet-Liebesbetrüger, einem „lover boy“, in ihren stets offenen Blick.
Für ihr lyrisches Gesamtwerk und mit besonderer Hervorhebung ihres jüngsten Romans Hey guten Morgen, wie geht es dir? verleiht die Jury Martina Hefter den ,Großen Preis des Deutschen Literaturfonds‘.“
* * *
Der Kranichsteiner Literaturförderpreis, der seit 2003 jährlich durch den Deutschen Literaturfonds an eine Autorin oder einen Autor unter 35 Jahren mit mindestens einer Buchveröffentlichung vergeben wird, geht in diesem Jahr an Nora Schramm für ihren Roman Hohle Räume, erschienen im Berliner Verlag Matthes & Seitz.
Begründung der Jury:
„In ihrem Roman Hohle Räume besucht eine erfolgreiche Berliner Künstlerin ihre Eltern in einer süddeutschen Vorstadtsiedlung. Aber dort ist nichts mehr, wie es war: Die Eltern wollen sich scheiden lassen.
Nora Schramm erzählt zwischen Traum und Wirklichkeit von einem trostlosen bürgerlichen Familienleben, in dem immer schon mehr Schein als Sein die Tagesordnung bestimmte, in dem die Mutter eine Rolle spielte, die sie nicht ausfüllte, und die Tochter sich weigerte, die Hoffnungen zu erfüllen, die auf dem einzigen Kind lasteten.
In diesem ebenso realistischen wie surrealen Debütroman geht es aber nicht nur um ein Familiendrama, nicht allein um den Kunstmarkt und seine absurden Regeln, am Ende entwickelt sich die Geschichte zu einer Roadnovel, in der sich alle Gewissheiten auflösen. Und das Elternhaus wird zur Kunstinstallation, in der die alten und die neuen Hoffnungen von Sandbergen zugeschüttet werden.“
Der Kranichsteiner Literaturförderpreis ist mit 10.000 Euro dotiert.
* * *
Neben den beiden Preisen wurden auch das New-York-Stipendium (an Franz Friedrich) und das London-Stipendium (an Tim Staffel) vergeben.
Alle Preise werden gemeinsam mit dem Paul-Celan-Preis für herausragende Übersetzungen am 21. November 2024 im Literarischen Colloquium in Berlin überreicht.