THOMAS LANG In Ihrer Niegeschichte legen Sie auf 900 Seiten die kulturgeschichtliche Bedeutung der Science-Fiction-Literatur (SF) dar. Warum ist das nötig?
DIETMAR DATH Nötig ist nur, was die Naturgesetze wollen, also kein Buch. Mich hat aber ein bisschen gezwickt, dass einige Sorten Kunst, etwa populäre oder junge, in Kritik und Literaturwissenschaft so oft mit Phrasen aus einer schon vorhandenen Theorie (Psychoanalyse, Literatursoziologie, Gender Studies, Postcolonial Studies usw.) oder Betrachtungsweise (Mahnen, Warnen, Hoffen) abgefertigt werden. Ich wollte was anderes versuchen, nämlich am Gegenstand selbst klären: Wie funktionieren diese Spieldosen und Puzzles, die man SF nennt? Es stellte sich raus: Das geht nur, wenn man ihre Verfahren an der Kulturgeschichte der letzten 200 Jahre misst, aus der sie hervorgegangen sind.
LANG Die SF beruft sich gern auf eine Traditionslinie, die bei Autoren wie H. G. Wells oder Jules Verne ansetzt, Sie führen auch und prominent Mary Shelley an. Ruft man sich die Namen vor Augen, Lovecraft, Asimov, Heinlein, Clarke usw., fällt auf, dass die Traditionslinie von dem, was im literarischen Kanon zugelassen ist (oder war) ziemlich schnell zu Autoren führt, die da nicht zu finden sind. Zu Recht?
Die Kulturindustrie hat den Kanon gekillt, weil sie zu viel Zeug ausstößt, um es noch nach Rang zu sortieren.
DATH Der Kanon war lange ein hübsches Instrument zum Zweck der Einzäunung des Kunstfeldes, ein Fahrplan für Karrieren an der Uni und im Kulturbetrieb. Gekillt hat ihn die Kulturindustrie (Kino, Fernsehen, Comics,
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