KRISTINE KRESS Vor welche rechtlichen und vertraglichen Herausforderungen stellt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) die Vertragsabteilung eines Buchverlags?
SONJA BREMER In der Regel müssen Autoren in jedem Verlagsvertrag zusichern, ein Werk persönlich verfasst zu haben bzw. über die entsprechenden Urheberrechte zu verfügen. Gleiches gilt für Übersetzer. Daher ist der vertragliche Ausschluss der Nutzung von KI nicht zwingend erforderlich. Sollte ein Autor uns ein KI-generiertes Werk schicken und als sein eigenes ausgeben, würde er wie beim Plagiat vertragsbrüchig werden. Wie strikt ein Verlag den Einsatz von KI verbieten oder limitieren will, muss jedes Haus für sich entscheiden, und hier wird sicherlich auch noch mehrere Male ein Umdenken stattfinden. So verpflichtet Amazon seit Kurzem seine Kindle-Self-Publisher dazu, den Einsatz von KI offenzulegen. Die Autoren müssen angeben, ob ein Werk bei der Entstehung von KI unterstützt oder gar komplett durch KI erstellt wurde. Sofern sich KI auch in den Verlagen stärker etablieren wird, ist nicht auszuschließen, dass solche Angaben irgendwann die gesamte Branche betreffen werden und dies entsprechend auch in den Verlagsverträgen geregelt wird.
Aus urheberrechtlicher Sicht ist klar, dass alle Buchinhalte oder Cover, die durch KI entstehen, nicht geschützt werden können.
KRESS Wie geht man bei der Vertragsgestaltung damit um, wenn eine KI zumindest Miturheber ist, wie etwa bei einer Übersetzung?
BREMER Miturheber ist eigentlich schon die falsche Begrifflichkeit, da KI niemals ein Urheber im rechtlichen Sinne sein kann, zumindest nicht gemäß der aktuellen Gesetzeslage. Streng genommen müssen Übersetzer die Übersetzungen persönlich und gänzlich ohne Hilfe von KI anfertigen. Es stellt sich jedoch zunehmend die Frage, ob es nicht sinnvoller ist, Übersetzern die KI-Nutzung als unterstützendes Tool vertraglich zu erlauben, wenn dies dazu führt, bessere Übersetzungen zu erhalten.
KRESS Kann es passieren, dass ganze Berufszweige durch KI ersetzt werden? Oder anders gefragt: In welchen Tätigkeitsfeldern ist der Einsatz von KI am ehesten sinnvoll, weil kosteneffizient und mindestens genauso gut?
BREMER Ich glaube, dies ist im Moment noch nicht vollständig absehbar, aber im Grafikbereich scheint es zumindest vorstellbar, dass irgendwann die Kunst eher im richtigen „prompten“ von Ideen als im Entwerfen an sich bestehen wird.
KRESS Welche Bereiche werden auf absehbare Zeit nicht ersetzbar sein?
BREMER Im Moment und naher Zukunft erscheint es uns unwahrscheinlich, dass eine KI, zum Beispiel, den Ansprüchen an die Übersetzung eines literarischen oder ähnlich anspruchsvollen Werkes genügen kann.
KRESS Welche urheberrechtlichen Konsequenzen hat der Einsatz von KI in gestalterischen Fragen, bei den Buchinhalten selbst natürlich, aber auch bei der Covergestaltung?
BREMER Aus urheberrechtlicher Sicht ist klar, dass alle Buchinhalte oder Cover, die durch KI entstehen, nicht geschützt werden können. Als Verlag haben wir hinsichtlich von Buchinhalten folglich wenig Interesse daran, Werke zu publizieren, die komplett mit KI entstanden sind. Solche Inhalte könnten von jedem kopiert und genutzt werden. Sofern KI bei der Entstehung nur unterstützend mitgewirkt hat, wird es kompliziert, denn urheberrechtlich geschützt ist nur der menschliche Anteil am Werk. Wie am Ende KI-Komponenten und geistige Schöpfungen, die in einem Werk verwoben sind, urheberrechtlich getrennt voneinander bewertet werden, bleibt abzuwarten.
KRESS Stichwort Covergestaltung: Wenn ein Grafiker mit Hilfe von KI ein Motiv gestaltet, wer ist dann der Urheber?
BREMER Wenn ein Grafiker ein Cover mit Hilfe von KI entwirft, stellt sich primär die Frage, ob er das Cover anschließend noch so weit nachbearbeitet und verändert hat, dass daraus wieder eine ausreichende schöpferische Höhe erreicht wird, die einen Urheberschutz begründet. Wenn dies nicht der Fall ist, wären nur die Teile des Covers urheberrechtlich geschützt, die ohne KI entstanden sind.
KRESS In welchem Umfang spielen diese Fragen in der alltäglichen Praxis bereits eine Rolle, und welche Entwicklung erwarten Sie in der Zukunft?
BREMER Aktuell spielt KI noch keine wirkliche Rolle in der Praxis, was aber nicht bedeutet, dass Verlage nichts ausprobieren. Wir haben im Verlag auch Arbeitsgruppen gebildet, die sich in den unterschiedlichen Bereichen wie Herstellung, Lektorat oder Art Direktion mit bereits vorhandenen Tools und Möglichkeiten von KI auseinandersetzen und neue Entwicklungen verfolgen, um immer auf dem letzten Stand zu sein. Wir können die Zeit nicht anhalten und gehen davon aus, dass perspektivisch die Nutzung von KI im Arbeitsalltag zunehmen wird. Insofern gilt es, einerseits die urheberrechtlichen Aspekte zu schützen, andererseits wollen wir uns aber auch nicht von vornherein der Chancen durch KI berauben, indem wir die Augen davor verschließen.
KRESS In den USA klagt gerade eine Reihe namhafter Autoren und Autorinnen OpenAI – die Firma hinter ChatGPT –, weil die Software deren urheberrechtlich geschütztes Material verwendet, ohne dass es eine Genehmigung oder gar Vergütung gäbe. Was tut in Deutschland ein Verlag beziehungsweise was kann ein Verlag tun, um das Urheberrecht seiner Autoren und Autorinnen vor dem Zugriff der KI zu schützen? Gibt es auch Urheber, die damit einverstanden sind oder auch explizit wünschen, dass ihre Werke von der KI genutzt werden?
BREMER Seit einiger Zeit ist in den Impressen unserer Bücher der Vermerk enthalten, dass wir uns die Text & Data Mining Rechte gemäß § 44b UrhR vorbehalten. Konkret bedeutet dies, dass wir die Nutzung unserer Inhalte zum Beispiel zum Zwecke des Trainings von KI untersagen, denn zumindest gemäß deutschem Recht bedarf es zur Speisung von KI aus urheberrechtlich geschützten Werken der Zustimmung durch die Rechteinhaber. Seit Kurzem wird uns dies auch zunehmend durch unsere Rechtegeber vertraglich vorgeschrieben. Wichtig ist zu wissen, dass das Recht zum Text & Data Mining nicht nur bei Texten greift, die bereits digitalisiert veröffentlicht werden, sondern auch bei nachträglich digitalisierten Werken. Insofern muss der Vermerk sowohl in Printbüchern als auch E-Books aufgenommen werden, um wirksam zu sein. In E-Books oder anderen online zugänglichen Werken muss der Vermerk zudem maschinenlesbar sein, um zu greifen. Im Übrigen ist mir noch kein Fall bekannt, in dem Urheber die Nutzung von KI explizit wünschen, da momentan tendenziell doch eher noch eine gewisse Besorgnis und Unsicherheit vorherrscht.