Im Sommer verbrennt mein Herz, wenn ich meine Armut unter dem Mantel verstecke.
Wem soll ich sagen, wie sehr ich mich nach dem normalen Leben sehne.
In einem Garten sitzen. Einen vollen Eisbecher auslöffeln. Musik hören, tanzen.
Ich habe ein schönes Lachen. Die Leute würden mir wieder Komplimente machen und mich dann fragen, wo warst du so lange.
Ich will in einen tiefen Schlaf fallen, aufwachen und alles ist gut. Aber was? Heute ist wie vorgestern und morgen wird nicht anders sein wie irgend ein beschissener Tag im nächsten Monat. Mich friert es immer. Egal, ob die Sonne scheint oder ob es regnet.
Ich decke mich mit allem zu, was ich finde. Rechts von mir rauscht der Wald. Links von mir schlagen die Räder der vorbeifahrenden Autos auf der A7 im Rhythmus auf den Asphalt.
Der Nebel legt sich auf mein Gesicht als klebriger Film, und wie immer werde ich davon eine Bindehautentzündung bekommen und aussehen wie Chucky, die Mörder-Puppe.
Der Neumond streut kein Licht. In einer Nacht wie dieser pinkelte hier einmal ein Mann auf mich. Aus Angst verdroschen zu werden, rührte ich mich nicht. Aber der Mann hätte mich ohnehin nicht bemerkt. Hier entsorgen Leute alles: Leichen, Hunde, Matratzen, Kochtöpfe, Kinderwägen, Fernseher, Kühlschränke. Ganze Tragödien sind hier verstreut oder vergraben. Einmal bin ich über ein Fahrrad gestolpert, das unter einem Gestrüpp lag, und habe mir dabei den Knöchel verstaucht. Da hörte ich die Engel singen. Weit und breit kein Arzt, keine Mullbinde, kein Schmerzmittel. Nur die pechschwarzen Bäume am Rand des Feldes, die aussahen wie riesige Krieger aus einem Computerspiel. Gäbe es hier Schafe und Ziegen, könnte ich mich an ihnen wärmen. Ihre Milch trinken. Lebe ja schon lang von der Hand in den Mund. Fast wie im Schlaraffenland. Nur dass die Speisen dort süss sind, immer die Sonne scheint und der Braten einem direkt auf den Kopf fällt.
Vor Jahren hat mein damaliger Freund zu mir gesagt, packe deine Koffer. Du taugst nichts. Weder im Bett noch sonst wo. Kannst nicht kochen. Kaust von früh bis spät Kaugummi. Räumst nie die Wohnung auf. Telefonierst stundenlang mit irgendwelchen Bekannten. Kannst keinen Deckel auf ein Marmeladeglas schrauben. Schneidest Brot von zwei Seiten an. Schläfst dauernd vor deinen Fernsehserien ein.
Ich war erstaunt über sein zornrotes Gesicht. Wollte mich gegen seine Unverschämtheiten wehren. Aber da hatte er schon die Tür vor meiner Nase zugeknallt. Minutenlang stand ich bewegungslos da. Dann dachte ich, der kommt gleich mit der Axt. Ich rannte die Treppe hinunter. Zu Leuten, die ich kannte. Aber die waren von meinem Freund schon vorgewarnt worden.
Meine Beine versagten. Ich taumelte vor Angst und Ausweglosigkeit. So fühlt sich Freiheit an, dachte ich, ganz anders wie in den herzzerreißenden Liedern.
Hier nennt man mich die Frau hinter der Autobahnraststätte. Hier würde nie jemand wohnen wollen. Wer die Autobahnraststätte besucht, trinkt, isst. Geht aufs Klo. Danach wieder zurück auf die Autobahn.
Jemand muss mich hier abgeladen haben. Als ich zu mir kam, war ich taub. Ich wollte schreien, brachte aber nur ein Blöken hervor. Vorsichtig bewegte ich Finger und Zehen. Sie fühlten sich an als wären mir dazwischen Schwimmhäute gewachsen. Alles war unwirklich und anstrengend und mir wurde klar, fortan würde ich gegen Alles und Jeden zu kämpfen haben. Die Not wird meinen Mund austrocknen und ich werde mir genauso oft den Tod wie das Weiterleben wünschen.
Ich sehne mich nach meiner Familie. Den Eltern, Geschwistern und Kindern, die immer da waren. Nach unseren lustigen Geschichten. Wir wussten nie, warum wir bei jedem Familientreffen so ungehemmt lachen mussten. Es waren ja immer dieselben Geschichten.
Ich habe kein Geld, um nach Hause zu fahren. Manchmal schenkt mir jemand vor der Autobahnraststätte einen Fünfer. Davon kann ich in der Raststätte duschen.
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