Schlaflose Nacht −
После бессонной ночи …
Schlaflose Nacht − man liegt geschwächt darnieder,
Der eigne Leib wird einem fremd, er ist ein Niemand.
Das Blut geht langsam, auch Ströme ermüden.
Seraphisches Lächeln − den Menschen hienieden.
Schlaflose Nacht − man lässt die Hände sinken,
Freund und Feind stehn sich gleichgültig gegenüber.
Jedes Geräusch lässt an den Regenbogen denken,
Bei Frost weht aus Florenz ein jäher Duft herüber.
Sanft blühen Lippen auf, und Schatten strahlen
Unter den gesenkten Augen. Die Nacht war’s,
Die das hellste Antlitz offenbarte. Doch vor allem −
Die Nacht brach an, wir sahen nur noch schwarz.
19. Juli 1916
In Finsternis begann die grosse Wanderung
Мировое началось …
In Finsternis begann die grosse Wanderung auf Erden:
Die Bäume wanderten des Nachts auf ihren Wegen,
Die Trauben fluteten als Wein wie flüssig Gold,
Die Sterne waren unterwegs von Hort zu Hort,
Die Flüsse fliessen künftig quellwärts, umgekehrt!
Ich möchte bloss noch schlafen, an dein Herz gelehnt.
14. Januar 1917
Die Innenhand
Ладонь
Das Innere der Hand! Für Jung
Und Alt so etwas wie ein Lexikon.
Die rechte Hand ist für den Kuss
Und in der linken kann man lesen.
Verschwört man sich des Nachts,
So ist genau darauf zu achten:
Mit der Rechten lenkt man sacht,
Die Linke braucht’s zum Warnen.
Der Sibylle* dient die linke Hand:
Sie hält Distanz von allem Ruhm.
Ein Scaevola* wird niemals ruhn –
Er verlässt sich auf die rechte Hand.
Doch zu der Stunde, da uns Hass
Beherrscht, sind wir bereit, der Welt
Bedenkenlos die linke Hand
Zu reichen – weil uns nichts mehr hält.
Der Zorn, der uns ergriffen hat,
Er mag gerecht sein oder nicht:
Wir schneiden mit der rechten Hand
Die Adern an der linken auf!
27. April [1923]
* „Sibylle“ > Wahrsagerin (mythol.);
* „Scaevola“ > Gaius Mucius Scaevola (Linkshand), legendärer Heros der römischen Frühgeschichte, der die Stadt Rom vor den Etruskern gerettet haben soll.
Wolken
Облака
(Übersetzung 2)
I
Der Himmel bröckelt, er ist aufgerissen
Wie nach einer Schlacht, geschlitzt
Von Furchen – da und dort geschlissen,
Ein Himmel, schwer umkämpft, verletzt.
Da hetzt sie hin, die Wolkenherde,
Vorangepeitscht von scharfem Wind,
Der Glitzermond beäugt die Pferde –
Der alte Witwer! Nicht mehr so geschwind …
II
Halt ein! Weht hoch am Himmel
Nicht doch Phaedras Plaid? Der nun
Im Marathon der Wolken schlingert
Und flattert, flattert immerzu?
Halt ein! Herodias mit wildem Schopf –
Du Lasterhafte … Hat sich in die Wolken
Und in Jerichos Posaunenchor
Noch Donner eingemischt, wie eine Trommel?
III
Aber nein! Die hohe Woge kam
Und der Prophet hat rechtbehalten!
Die Woge stieg und fiel und dann
Zer-teilte sich das Meer, ward angehalten!
Dann – die Bärte und die Pferdemähnen
Auf dem Marsch durchs Rote Meer!
Doch nein! Da trägt – ganz ohne Tränen –
Judith den Kopf des Holofernes vor sich her!
1.Mai [1923]
„Phaedra“, „Herodias“, „Judith“ > gewaltbereite Frauengestalten der griech.-röm. und biblischen Mythologie.
Feuerspan
Лучина
Zum Eiffelturm − eine Armlänge reicht!
Mach schon, zieh dich mit den Händen hoch.
Jeder von uns weiss doch, was das heisst,
Alles schon mal dagewesen − was denn noch?
Für uns nimmt sich Paris langweilig, öde aus.
[……………………………………………….]
Mein Russland, du, mein Russenhaus −
Weshalb stehst du so lichterloh in Brand?
Meudon, Juni 1931
Mein Tisch
Стол
II
Dreissig Jahre − unser Liebesbund,
Dreissig Jahre wahre Treue.
Ich kenne deine Runzeln − und
Du kennst die meinen, neue
Wie auch alte − sind sie nicht dein Werk?
Von Buch zu Buch sind sie entstanden,
Nicht die Zukunft ist’s, was für uns zählt,
Allein das Heute taugt zum Handeln.
Das Geld, das mit der Post kommt, Briefe −
Vom Tisch gewischt, versinken sie im Strom
Der Zeit! Es ist, als ob er herrisch riefe:
Heute letzte Frist für jeden Vers. Und schon
Die Drohung: Wirst mit der Zahlenhuberei
Den Schöpfer sicherlich nicht überzeugen,
Und − morgen werden sie mich, tumbe Frau,
Auf dich, Tisch, betten, meinen Tod bezeugen.*
* nach altem russischem Gebrauch wurden Verstorbene auf dem familiären Küchenoder Stubentisch aufgebahrt. Die privat aufgebahrten Verstorbenen konnten von Nachbarn wie von zufälligen Passanten aufgesucht werden.
Hab mir die Adern geöffnet …
Вскрыла жилы
Hab mir die Adern geöffnet: unaufhaltsam,
Unersetzbar ist die Gischt des Lebens.
Stellt ihr auch Schalen, Teller unter −
Jeder Teller wird zu klein sein,
Jede Schale − viel zu flach.
…………………………………Überlaufen − und fort-da −
In die schwarze Erde, Ried zu nähren.
Unumkehrbar, unaufhaltsam − sind die Worte:
Unversiegbar bleibt die Gischt der Verse.
6. Januar 1934