„Ich sage ihr, dass die Partei keine Frauen mag, die Frauen lieben. Sie mögen […] keine Menschen, die aus anderen Ländern stammen […] und haben sogar verboten, dass Frauen ein bestimmtes Gewicht überschreiten, weil sie sich somit dem Begehren der Männer böswillig entziehen und so die Volksgesundheit […] gefährden.“
Dass bestehende Gesellschaftssysteme kippen können, hat die Zeitgeschichte illustriert. Spinnt Literatur bestehende, als negativ empfundene politische und soziale Tendenzen weiter, nennt die Literaturwissenschaft das „Dystopie“. Laura Lichtblau, die bislang mit Kurzprosa, Lyrik und einem Kinderbuch in Erscheinung getreten ist, nimmt den dystopischen Faden in der Literaturgeschichte auf: Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Deutschtümelei werden in Deutschland (und Österreich) nach einem Systemwandel, den Schwarzpulver voraussetzt, offen ausgelebt. Der Alltag ist geprägt von permanenter Überwachung, Gleichberechtigung gibt es nicht einmal mehr in der Theorie.
Affirmation und Rebellion wären extreme Formen der Reaktion darauf. Die Wahrnehmungen und das Verhalten der Protagonist*innen entfalten sich aber in den Zwischenräumen. Passend dazu spaltet sich die Erzählinstanz in drei verschiedene „Ich“-Perspektiven auf, die an der markantesten Stelle des Plots ineinander geführt werden.
In Charlottes „komplexen Gefühlslandschaften“ hat irgendwann ein diffuses Gefühl der Unsicherheit die Oberhand gewonnen und sich in der Mitbegründung einer paramilitärischen Bürgerwehr in Berlin manifestiert, die den repressiven staatlichen Apparat mehr als nur unterstützt. Nachdem sie sich während einer Dienstreise in Wien daran beteiligt hat, von Reaktionären ein „Beisl“ zurück zu erobern, nimmt sie sich selbst jedoch immer weniger als „linientreu“ wahr. Das ist auch an ihrem „Erzähl-Ich“ bemerkbar: Sequenzen der Reflexion drängen Sätze, die aus einem Handbuch der regierenden „Partei“ stammen könnten, immer mehr zurück. Das Ergebnis dieser fortschreitenden kognitiven Dissonanz hat jedoch fatale Folgen für die Stabilität der Psyche.
„Charlie“, Charlottes Sohn, macht zwar ein Praktikum bei einem subversiven Label, reibt sich ansonsten aber eher an seiner Mutter auf. An das politische System und seine Abstrusitäten hat er sich zumindest vordergründig angepasst und gewöhnt – auch an Manuela, die vom „Amt für Staatsmoral“ in das Label gesetzt wurde, damit sie „staatsfeindliches Gedankengut“ protokolliert.
„Burschi“, die eigentlich Elisa heißt, setzt mit ihrer flüchtigen Beziehung zu Johanna einen Akt, der von der neuen Ideologie nicht geduldet wird und muss sich vom „Ministerium für Volksgesundheit“ zwecks Adjustierung ihrer Libido beraten lassen. Auch die Wahrnehmung dieser Ich-Erzählerin wird vor allem im Hinblick auf Johanna im Verlauf des Romans zunehmend brüchig und teilt sich scheinbar in zwei getrennte Identitäten mit nur einer Stimme auf. Es bleibt daher über weite Strecken fraglich, ob in Johanna nicht eine rebellische Abspaltung von Burschis Persönlichkeit zu sehen ist, erschaffen, um mit der Brutalität und Empathielosigkeit des Systems fertig zu werden.
Johanna wird schlussendlich doch auch von anderen Personen wahrgenommen; trotzdem bleibt sie ein „ungefähres Wesen“, das in einem nicht näher ausgeführten Kontext zum Aufbegehren steht. Auch hinsichtlich der gesellschaftspolitischen Umwälzung deutet Schwarzpulver viel an, führt aber wenig aus; semantische Räume werden geöffnet und nicht wirklich durchschritten. Dennoch funktioniert das dabei verwendete Stilmittel der ironischen Überhöhung und erzeugt einen Effekt der Distanzierung und Verdeutlichung von Gewalt- und Überwachungsstrukturen, die rechtsnationaler Ideologie immanent sind.
***