Der Roman ist zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt entstanden, sämtliche medialen Umbrüche haben sich in seiner Form nachhaltig niedergeschlagen; insofern kann man nur hoffen, dass auch der gegenwärtige mediale Wandel Spuren hinterlässt, alles andere hieße, dass sich die Literatur von jeglichen sozialen Entwicklungen abgekoppelt hat.
Das ästhetische Selbstverständnis und den darin verwobenen Anspruch, sich seiner Zeit zu stellen, hat wohl niemand so prägnant formuliert wie Arthur Rimbaud mit seiner Maxime, absolut modern zu sein. Dieser Appell impliziert mindestens zweierlei: eine Position gegenüber der eigenen literarischen Tradition zu beziehen (dies betrifft das poetologische Selbstverständnis) sowie gegenüber sozialen Entwicklungen (dies läuft letztlich auf ein politisches Selbstverständnis hinaus). In diesem Sinn beansprucht die Maxime nach wie vor Gültigkeit und erinnert nicht zuletzt daran, dass der weit verbreitete Reflex, das „Ich“, die „Sprache“ oder „Literatur“ absolut zu setzen, selbst historisch ist. Zwar wird die Literatur immer auch von Schreibenden profitieren, die sich mit ihren Textwelten bewusst gegen die Anforderungen beschleunigter Modernisierungsprozesse abzuschotten suchen, um gerade auf diesem Weg eine Dringlichkeit und Gegenwärtigkeit zu gewinnen. Allzu oft ist eine solche Haltung aber in einem schlechten Sinn naiv, und verkennt, dass die Verständigung über Literatur, den Wert und die Rolle, die wir ihr zusprechen, auf Konventionen und Absprachen beruht, die sozial gewachsen sind; nichts spricht dagegen, dass die Literatur folkloristisch werden könnte. Die Reflexion über die Literatur gehört deshalb genauso zum Schreiben wie dieses selbst. Dass Poetologie und Praxis sich dabei nicht decken, liegt in der Natur der Sache, beschreibt aber vor allem eine Bedingung guter Literatur.
Die Themen des Romans werden dabei weiterhin vielfältig bleiben. Das größte Dilemma wird meines Erachtens darin liegen, konkret zu zeigen, inwiefern globale (kapitalistische, ökologische, transkulturelle) Strukturen sich im Alltag des Einzelnen als Möglichkeiten und Verwerfungen niederschlagen. Am spannungsreichsten ist in dieser Hinsicht der Zweifel, der den Roman seit mindestens hundert Jahren begleitet: Können Einzelne überhaupt noch als literarische Träger gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen dienen, indem sie als Subjekte und Handelnde auftreten, nicht bloß als Stellvertreter narrativer Konventionen, vorneweg den Anforderungen eines Plots? (Brillant widmet sich aktuell Tanguy Viel in Das Verschwinden des Jim Sullivan. Ein amerikanischer Roman diesem Komplex, wenn er den „amerikanischen“ Roman ebenso lustvoll wie ernsthaft als Phänomen des enormen Erfolgs sogenannter internationaler Literatur dekonstruiert. Auf 120 Seiten weckt Viel den Verdacht, dass sich die gepriesenen Gesellschaftspanoramen aus Übersee, wie sie Autoren wie Philip Roth oder Don DeLillo gerne entwerfen, nur einer Handvoll wiederkehrender Standardsituationen und narrativer Strategien verdanken; die Romane rühren weniger seismografisch an eine abgründige Seele Amerikas, sondern sind vielmehr der Effekt eines narratologischen Formulars und leisten so in erster Linie eins: sich selbst zu reproduzieren. Viel legt kein „Kleinod“ vor, wie der Buchrücken zu beschwichtigen sucht, sondern einen Sprengsatz, nähme man den Roman denn ernst.) Einmal mehr wird hier klar, dass inhaltliche Fragen nicht von formalen zu trennen sind: die Zukunft des Romans liegt in seiner Form, die er in der Konfrontation mit seiner Zeit immer wieder neu finden muss.
Das größte Dilemma wird meines Erachtens darin liegen, konkret zu zeigen, inwiefern globale Strukturen sich im Alltag des Einzelnen als Möglichkeiten und Verwerfungen niederschlagen.
Dies gilt insbesondere auch für die Auseinandersetzung mit den neuen Medien und Technologien, die sicher ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken werden. Innerhalb eines weiten Felds
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