„Jeder ausgesprochene Gedanke ist eine Lüge.“ Das viel zitierte und vielfach variierte Verdikt bringt die seit alters überlieferte Skepsis gegenüber der Sprache als Bedeutungsträger mit schlichten Worten auf den Punkt. Allerdings bleibt dabei unberücksichtigt, dass Sprache keineswegs nur zur Artikulation und Übermittlung oder gar zur Hervorbringung von „Gedanken“ verwendet wird, dass sie darüber hinaus die wichtige Funktion des Benennens, der Beschreibung oder auch bloß der Evokation realer Gegenständlichkeiten zu erfüllen hat. Ungeklärt bleibt außerdem die Frage, ob Gedanken nicht auch als solche, noch unausgesprochen, lügenhaft sein können.
Tatsächlich aber weist die Sprache beziehungsweise der Sprachgebrauch bei der begrifflichen Repräsentation außersprachlicher Realien erhebliche Defizite auf. Zwar kann hier von „Lüge“ nicht die Rede sein, wohl aber von Deformation, Reduktion, Verfremdung, unstatthafter Verallgemeinerung und Vereinfachung. Denn naturgemäß vermag kein Name, kein Begriff seinem Gegenstand im eigentlichen Wortsinn voll zu „entsprechen“. Die Sprache wird der außersprachlichen Welt niemals „gerecht“ werden können, schon weil – wie einst Goethe angesichts einer vorüberziehenden Wolkenformation notierte – „die Mannigfaltigkeit so groß ist, dass solche zu bestimmen keine Terminologie vermag“.
In ihrer vorgegebenen Zeichenhaftigkeit verhindert Sprache die Vereinigung von Bezeichnendem und Bezeichnetem, sie vermag Realien bestenfalls zu repräsentieren, nicht aber unmittelbar zu vergegenwärtigen. Den „Mangel des Bezeichnungsvermögens oder den fehlerhaften Gebrauch desselben (da Zeichen für Sachen und umgekehrt genommen werden)“, hat in seiner Anthropologie von 1798 auch Immanuel Kant beklagt, obwohl er die Sprache insgesamt als „das größte Mittel, sich und andere zu verstehen“ gelten ließ.
Die „Lügenpresse“ wird sich der „Lügenliteratur“ wohl mehr und mehr angleichen, vielleicht ergibt sich daraus ein neues publizistisches Genre, das in fernerer Zukunft die künstlerische Belletristik entbehrlich machen und ersetzen wird?
Dass Kommunikation – korrekte wechselseitige Verständigung – durch Sprache eher gestört denn gefördert oder gar gewährleistet wird, hat namentlich Niklas Luhmann entgegen dem bestehenden common sense mehrfach plausibel dargetan. Luhmanns Fazit lautet kurz gefasst: Kommunikation ist unwahrscheinlich und riskant. – Mit der Sprache
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