Mehrere Wochen lang bin ich im vergangenen Frühjahr auf der Strandpromenade von Opatija an der Statue von Mirsolav Krleža vorbeigekommen. Er steht dort in Metall gegossen, seine Hände in den Jackentaschen, ein unförmiger Koloss, vor dem Hotel Milenij und schaut auf das Meer und die vorgelagerte Insel Cres hinaus.
Der schüttere Haarkranz auf seinem Haupt könnte ebensogut von den Überresten des Lorbeers stammen, den ihm ein verständiger Nachgeborener aufgesetzt hat und der jetzt von Wind und Wetter abgewaschen wird. Außer den Einheimischen wissen wohl die wenigsten Touristen in dem Ort etwas mit seinem Namen anzufangen, noch gar, dass sie einen der großen europäischen Schriftsteller des vergangenen Jahrhunderts vor sich haben.
Etwas an seiner Körperhaltung, dass er leicht vorgebeugt und stark zur Seite geneigt ist, verleiht ihm einen überlegen ironischen Anstrich, gerade so, als wäre er nicht nur mit allem einverstanden, was ihm widerfährt, sondern als würde das Treiben um ihn nur genau das Bild des Menschen bestätigen, das er in seinen Romanen und Theaterstücken entworfen hat.
Es musste wohl mit dieser Ausstrahlung zu tun haben, Ironie und Gelassenheit, dass es nicht lange dauerte, bis ich in ein Zwiegespräch mit ihm eintrat. Ich war der Fragende, und seine Antwort war immer gleich, ein Kopfschütteln und ein ebenso nachsichtiges wie verständnisloses „Sie haben vielleicht Probleme“.
Es begann damit, dass ich mich eines Tages in die Wendung „Meister der kleinen Form“ verhedderte. In jüngster Zeit passierte mir immer wieder, dass sich in meinem Kopf einzelne Worte oder kleine Sätze verhakten, die ich dann so lange durch den Fleischwolf meiner Wiederholungen trieb, bis ich bei der kleinsten Andeutung nicht anders konnte als zu lachen. Den ganzen Herbst über war ich den Satz „If I die in a reading, bury me at Wounded Knee“ nicht mehr losgeworden, den niemand außer mir witzig fand und den ich dennoch bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten ins Spiel brachte, und jetzt gelang es mir fast nicht, mich zurückzuhalten und nicht jeden Passanten zu fragen, ob er ein Meister der kleinen Form sei.
Gleichzeitig ertappte ich mich in aller Früh vor dem Spiegel, wie ich mich vorstellte: „Guten Morgen, ich heiße Paul Weber. Ich bin ein Meister der kleinen Form.“ Ich sah nur vergrämt und mieselsüchtig aus. Vielleicht müsste ich mir einen Hut kaufen und es danach noch einmal versuchen, aber statt dessen lief ich verzweifelt hinunter auf die Promenade und fragte die Statue: „Haben Sie sich auch einmal überlegt, ein Meister der kleinen Form zu werden?“
Die Amerikaner sagen, in jedem misslungenen umfangreichen Roman stecke eine großartige Erzählung, was natürlich ebenso falsch ist wie vieles, das sich beim ersten Hören gut anlässt und oft schon bei der zweiten, aber spätestens bei der hundertsten Wiederholung so abgedroschen und verbraucht oder esoterisch und kalenderhaft oder vielleicht auch nur blödsinnig tautologisch klingt, wie es manchmal von Anfang an war: Try again. Fail again. Fail better … Ins Gelingen verliebt und in die Mittel des Gelingens … Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Es gibt kein falsches Leben im richtigen … Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen … Wer hatte das gesagt und wer alles – ohne den Kontext oder Hintergrund zu kennen – nachgeplappert, und wer konnte es noch hören, ohne sich mit einem verlegenen Schmunzeln dagegen zu wehren?
Ich fragte die Statue, ob das stimme mit dem Scheitern und dem Gelingen, ob es wirklich ein Scheitern gebe, das das wahre Gelingen sei, und ob jedes Gelingen in Wirklichkeit nur zum allergrößten Scheitern führe wie noch die schönste Geschichte, wenn man sie nur weiter und weiter erzähle, zum Tod. Konnte es sein, dass sie sich noch mehr vorneigte? Konnte es sein, dass sie mich ansah, als hätte ich den Verstand verloren?
Ich hatte meinen Schreibtisch im vierten Stock eines Hotels aufgeschlagen und musste vorsichtig sein. Das Geländer des Balkons war so niedrig, dass mich die Angst vor jedem Scheitern wie vor jedem notwendigerweise falschen Gelingen die absurdesten Fragen stellen ließ. War es besser, ins Parterre zu ziehen, weil man da wenigstens gefahrlos aus dem Fenster springen konnte, oder war es nur lächerlich, weil es dort weder die richtige Fallhöhe noch den Sog der Tiefe gab, gegen den man sich wehren müsste?
So war ich ja überhaupt erst auf meine Obsession mit dem Meister der kleinen Form gekommen: Wenn es kein Gelingen im Großen gab – konnte ich mich nicht wenigstens in einer sanft asymptotischen Annäherung im Unendlichen, kurz vor dem sprichwörtlichen Verstummen, in einen vielbejubelten Meister der kleinen Form hineinscheitern? Dann war da natürlich auch noch das Meer, in dem alle Fragen und alle Antworten begraben lagen, kabbelig an einem Tag, vollkommen ruhig am nächsten, oder eine Dünung, aktiv und passiv, sich wiegend und wogend. Alles, was man über einen Roman wissen musste, wäre an seiner Bewegung abzulesen, man müsste es nur richtig entschlüsseln.
Eingebracht hatte mir diese anhaltende Verunsicherung eine ehrenvolle Anfrage der Österreichischen Nationalbibliothek schon ein paar Monate davor. Die wollten in ihrem neu gegründeten Literaturmuseum einen Satz aus meinem ersten Buch „auf einem permanenten Grafikträger in der Rubrik Dorf integrieren“, wie es in der Einladung hieß. Von der Formulierung bekam ich Fieberblasen und eitrige Hautausschläge, und ich erholte mich erst langsam wieder von dem Unglück, das mich seither gepackt hatte, eine Art Ewigkeits-, also Todesangst.
Ich schrieb zurück, was man in solchen Fällen zurückschreibt: „Ich möchte lieber nicht“, aber die Intention des Ganzen haftete mir doch an. Für eine Weile machte ich den Herrschaften in Wien ja gern den Dorftrottel, wenn sie unbedingt wollten, aber permanent, wie sie es verlangten, und integriert war vielleicht ein bisschen viel. Zum ersten Mal hatte ich eine Ahnung bekommen, was es bedeutete, bei lebendigem Leib begraben zu werden, und dann auch noch in einem Massengrab und von Leuten, die sich zwar als professionelle Totengräber ausgaben, aber von der Totengräberei nicht viel verstanden.
Ich hatte lange nicht mehr an Franz Innerhofer gedacht, aber jetzt fielen mir ein ums andere Mal die drei Begegnungen wieder ein, die ich mit ihm Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Graz gehabt hatte. Er war da längst zum „Fall Innerhofer“ geworden, jemand, über den man eher mitleidig als anerkennend oder gar bewundernd sprach.
Er hatte Mitte der siebziger Jahre seine ersten autobiografischen Bücher veröffentlicht – Dorfliteratur oder Literatur von einem, der in einem Dorf aufgewachsen war? –, Selbsterfindungen eines Entmündigten, Versuche eines Niemand aus der Provinz, sich eine Persona zu schaffen, die ihn zu einem Jemand machen könnte, und war nach ein paar Jahren in der literarischen Sonne, nach ein paar Jahren mit den schönsten Folklorisierungen als wilder Eingeborener, den er mit seiner „Bauernstatur“ und seinem mächtigen Bart auf das Prächtigste abgab, und nach einer Reihe von schlechteren Büchern auf dem Weg, wieder ein Niemand zu werden – diesmal in der literarischen Provinz.
Aus einem, der Geschichten erzählte, war da schon einer geworden, über den Geschichten erzählt wurden. Die Sprache, die ihn im Dorf noch hatte retten können, war jetzt seine größte Falle. Was blieb da am Ende auch noch viel, wenn die Bücher anstelle der in der Kindheit ausgelöschten Person getreten waren und dann auch noch die Bücher ausblieben? Also ein betrunken Randalierender bei einer Lesung im Forum Stadtpark: So hatte ich ihn zum ersten Mal gesehen.
Das zweite Mal war in der kleinen italienischen Buchhandlung gewesen, die er dann betrieb und wo er hinter seinen eigenen Büchern saß, als müsste er eine Strafe absitzen, weil er sich in eine Gesellschaft vorgewagt hatte, in die er nicht gehörte. Das dritte Mal hatte ich mich mit ihm in einem Gasthaus verabredet und den ganzen Abend seine riesigen Hände vor ihm auf dem Tisch betrachtet und tapfer versucht, mit seinem Trinken mitzuhalten. Ich ahnte nur dunkel, dass ihm jemand eine Absolution erteilen müsste, ich konnte das nicht sein, und die Argumente, die ich heute habe, habe ich damals nicht gehabt.
Sonst hätte ich ihm gern die Anekdote über Joseph Heller erzählt und dessen angebliche Antwort, wenn er gefragt wurde, wann er denn endlich wieder einen Roman von der herausragenden Größe von Catch-22, seinem ersten Buch, schreibe. Er verstehe nicht, warum das ausgerechnet von ihm erwartet werde, wenn es auch sonst niemand schaffe, soll Joseph Heller darauf immer gesagt haben. Franz Innerhofer hat seinen ersten Roman Schöne Tage 1974 veröffentlicht, 2002 hat er sich in Graz das Leben genommen.
Auch auf die Essaysammlung Körper des Königs von Pierre Michon bin ich erst viel zu spät gestoßen. In Frankreich schon 2002 publiziert, ist sie auf Deutsch gerade erst erschienen. Darin gibt es ein bezwingendes Portrait von Faulkner als eines „missratenen Säufers und Mythomanen“ aus der Provinz, der instinktiv wusste, dass er in den literarischen Salons und Saloons, so eine Wendung von Danilo Kiš, nicht vorgesehen war und sich nur Zutritt verschaffen konnte, wenn er seine großen Romane als Rammbock verwendete und mit ihnen die Türen einrannte.
Der sturzbetrunken und schweigend bei literarisch-gesellschaftlichen Anlässen herumstehende Faulkner: eine hundertfach wiederholte Mythologisierung mit mehr als nur einem wahren Kern, aber Pierre Michon fügt ein viel wichtigeres Bild hinzu, indem er assoziativ das ikonische Foto beschreibt, das James R. Cofield in seinem Atelier in Mississippi von Faulkner im Jahr 1931 gemacht hat.
Er nennt den noch jungen Autor in seinem Tweedjacket, die Arme verschränkt und eine Zigarette in der Hand, einen Elefanten, der hinweg über all die Elefanten vor ihm – Shakespeare, Melville, Joyce – einen Elefanten sieht: William Faulkner 1931, der William Faulkner sieht, nachdem er Schall und Wahn geschrieben hat. „Sein Meister ist ihm erschienen, massiv und pathetisch wie ein Besäufnis“, schreibt Pierre Michon. „Er hat eine Prosa in Bulldozerform erfunden, in der Gott sich unablässig wiederholt.“
Die Statue konnte auch darüber nur lachen. Sie hatte in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts selbst drei bahnbrechende Romane geschrieben, Die Rückkehr des Filip Lationovicz, Ohne mich und Bankett in Blitwien, und – so wie sie jetzt auf der Promenade von Opatija stand – auch für Elefanten nur mehr einen müde ironischen Blick übrig, nachdem sie jahrelang gegen die heruntergekommene Zagreber Gesellschaft der Monarchie und damit gegen Wien gewettert hatte.
Die Bernhardschen Tiraden im Bernhardschen Duktus finden sich bei ihr lange vor Thomas Bernhard, ein Welt- und Menschenvernichtungsfuror, der einem Angst machen kann, eine barocke Moralinszenierung, die in dem Koloss auf der Promenade von Opatija der Gelassenheit eines auf das Meer hinausblickenden alten Mannes gewichen war.
Es gibt zwei Sätze in Pierre Michons Körper des Königs, die zusammengenommen ein schmerzhaftes Licht auf das Glück und Elend eines Schreibenden werfen. Der erste ist: „Der Ernst, mit dem wir die Literatur betrachten, ist herzergreifend.“
Der zweite, vielleicht nicht der schönere, aber auch nicht der schrecklichere, lautet: „Die Welt kann auf Prosa verzichten.“ Er schreibt ihn, nachdem er aus dem Tagebuch von Flaubert zitiert und das dann zum Anlass genommen hat, über die schlichte Schönheit der Welt zu reflektieren. Das Zitat stammt vom 16. Juli 1852, und in der Nacht davor hat Flaubert den ersten Teil von Madame Bovary zu Ende geschrieben: „Am Freitagmorgen bei Tagesanbruch ging ich durch den Garten. Es hatte geregnet, die Vögel begannen zu singen, und große, schieferfarbene Wolken eilten am Himmel vorüber. Ich habe dort einige Augenblicke lang ein Gefühl von Kraft und großer innerer Ruhe genossen.“
Es war schon gegen Ende meines Aufenthalts, als mich ein älterer Herr vor der Statue ansprach und, nachdem er vom Kroatischen ins Englische gewechselt war, übergangslos sagte, er habe als Kind den echten Krleža einmal gesehen. Ich drehte mich interessiert zu ihm um, und er erzählte mir die Geschichte. Es war in Zagreb gewesen, Anfang der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Er war mit seiner Mutter spazieren gegangen, und sie hatten beobachtet, wie vor dem Lexikographischen Institut am Strossmayer-Platz eine von einem offiziellen Chauffeur gefahrene amerikanische Limousine gehalten hatte. Seine Mutter hatte ihn instinktiv unter einen Torbogen gezogen, wie sie es immer tat, wenn sie zufällig irgendwo auf einen Vertreter des Regimes stießen, und mit ihm zugeschaut, wie ein schwerer, alter Mann aus dem Fond gestiegen war.
Sie hatte ihn sofort erkannt. Sie liebte seine Bücher, aber er war ihr als persönlicher Freund von Tito auch unheimlich. Er hatte ihn erst unlängst auf der Präsidentenjacht zu einem Staatsbesuch nach Ägypten begleitet, und das schien ihr allem, was sie von ihm gelesen hatte, zu widersprechen. Der ältere Herr hüstelte, als wäre es ihm unangenehm, die Statue damit zu konfrontieren, und entfernte sich wieder, nachdem er noch gesagt hatte, der echte Krleža sei hier in Opatija jahrelang Stammgast im Hotel Ambasador gewesen.
Ich blieb vor der Statue stehen. Ihr Gesicht hatte sich nicht verändert. Ich versuchte sie mir in einer weißen Marschalluniform vorzustellen, weiß und operettenhaft neben dem operettenhaft weißen Marschall Tito, winkend an der Reling seiner Jacht, aber es gelang mir nicht. Ich wusste, dass ihr auch vorgeworfen wurde, dass sie im Zweiten Weltkrieg nicht zu den Partisanen in die Wälder gegangen war, sondern in Zagreb ausgeharrt hatte.
Sie war mit anderen Kommunisten verhaftet, bald aber wieder freigelassen worden und hatte sich später damit verteidigt, dass man sie in den Wäldern als Trotzkist und Abweichler von der Parteilinie umgebracht hätte. Die genauen Hintergründe und Verstrickungen kannte ich nicht, aber ich wusste, dass Danilo Kiš, der in diesen Dingen einen unbestechlichen Blick hatte, einer ihrer großen Bewunderer war.
Das Bild des aus einer amerikanischen Limousine steigenden titoistisch-jugoslawischen Großschriftstellers und trotzdem großen kroatischen Schriftstellers Miroslav Krleža, dessen Roman Ohne mich ich alle paar Jahre wieder las, ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Das hatte auch damit zu tun, dass die deutschen Feuilletons in dieser Saison so große Freude daran hatten, die Autorin Rachel Kushner vor ihrem Ford Galaxie aus den 60er- oder 70er-Jahren abzubilden, auf einem offensichtlich von ihrem amerikanischen Verlag zur Verfügung gestellten Foto.
Ich gebe zu, ich habe auch eine Schwäche für solche Bilder, aber als Hinterwäldler aus der „Rubrik Dorf“ bin ich natürlich sowieso jemand, der alle Pirelli-Kalender seit 1964 besitzt und denkt, Frau plus Motor ist der Wahnsinn, und Wahnsinn müsste da im ostösterreichischen, wahrscheinlich eher steirischen als wienerischen Dialekt ausgesprochen werden, vielleicht sogar mit einem amerikanischen Akzent à la Schwarzenegger.
Endgültig erfüllt wurde diese Männerfantasie – und nicht nur erfüllt, sondern gleichzeitig auf allerliebste und allerharmloseste Weise aufgedeckt als Kleinjungenwunsch –, als ein deutscher Redakteuer Rachel Kushner in Los Angeles besuchen und sich als deutscher Literaturfachmann von ihr in ebendiesem Ford Galaxie durch das deutsche Fernsehen kutschieren lassen durfte – enttäuschend langsam, um die Wahrheit zu sagen; quietschende Reifen auf dem Mullholland Drive hätte ich mir da schon erwartet. Ein Wahnsinn, muss auch er sich dennoch gedacht haben, dass er so etwas erleben durfte. Das tut der Größe des Romans Flammenwerfer, um den es eigentlich hätte gehen sollen, keinen Abbruch und fügt den Bildern, die es von Schriftstellerinnen gibt, nur ein schönes Exemplar hinzu.
Ich fuhr indessen mit meinem alten Škoda, dessen Kilometerstand allmählich auf die 250.000 zuging, in das eine Viertelstunde entfernte Rijeka. Erst dieser Tage war ich auf das Zitat von E.L. Doctorow gestoßen, nach dem das Auto eines Mannes zu kennen bedeute, ihn zu kennen, was für mich hieß, dass es schlimm angefangen hatte und nur schlimm enden konnte. Kein Triumph Herald wie Thomas Bernhard, in einem schnellen Entschluss von ein paar Tausend Schilling Preisgeld gekauft, und auch nicht das Vergnügen, ihn irgendwo hier in der Nähe auf einer istrischen Berg- oder Küstenstraße zu Schrott gefahren zu haben.
Im Hafenbecken lag seit ein paar Tagen schon eine Luxusjacht, die auf die Saison vorbereitet wurde und mir mit ihrem Namen Follow Me V ganz neue Vorstellungen von Scheitern und Gelingen eingab. Für die vier Vorgänger dieses Prunkstücks der 50-Meter-Klasse malte ich mir zwei Möglichkeiten aus. Entweder sie waren alle von der gleichen Pracht und Herrlichkeit gewesen, und ihr Besitzer hatte sie nacheinander gegen einen Felsen gesteuert oder sonst irgendwie versenkt, womöglich im Suff, und sich gleich wieder mit einem Neukauf belohnt. Oder er hatte sich brav emporgearbeitet, von der Nussschale, zur Badewanne, zum Traum des kleinen Mannes, zu seinem schwimmenden Glück und dann zu dieser Fata Morgana von Eleganz, Kraft und Schönheit, wie es vielleicht in der Werbung dafür hieß.
Ich überlegte eine Weile, welche Variante wahrscheinlicher wäre, aber dann ließ ich es sein. Das Scheitern war am Ende das gleiche. Es hatte mehrere tausend PS und lag glänzend in der Sonne vor mir im Wasser, wo es von muskelbepackten Männern mit nackten Oberkörpern zurechtgeschliffen, geputzt und lackiert wurde.